Schatten im Zwielicht - Frostige Herzen, Hesinde 1019

"Glaub mir, Geld hat wenig Bedeutung für mich. Es macht uns das Leben etwas angenehmer, aber unterm Strich ist es doch etwas anderes, was zählt. Mach dir bitte keine Gedanken darum, in Ordnung? Investiere einfach beim nächsten Mal in Olenas Heiltränke, das hilft uns allen mehr, als jeden Abend auszuzählen, was deine Hand sich geschnappt hat."

"Das kriegen wir hin", stimmte sie zu und nickte dann schließlich langsam, sich im Stillen vornehmend mit der Hand vor ihrem Besuch in Havena noch einmal ein ernstes Wort zu sprechen, weil sie nicht wollte, dass die plötzlich ihren eigenen Kopf - Finger ... wie auch immer - durchsetzen wollte und sich im Fürstenpalast bediente während sie schlief und eigentlich nur ein paar entspannte Tage verbringen wollte. Cuanu zu erklären, dass das gar nicht sie gewesen war würde schwierig werden ... genauso wie die Erklärungen über all das, was bislang geschehen war und was da noch auf sie zukommen würde.
"Immerhin haben wir jetzt jede Menge Käse, Wein und Lebkuchen für die Reise. Verhungern werden wir also nicht."

"Wenn wir jetzt verhungern wären wir selbst daran schuld. Andererseits kann uns auf Meilen jeder Gegner riechen, bevor wir auch nur auftauchen. Der Käse hat schon wirklich ... Aroma."

"Nach den Weisener Krachwürsten und dem Knoblauch wunderst du dich echt noch über starken Geruch? Wenn der Käse dafür sorgt, dass uns geruchssensible Gegner nicht mehr angreifen, dann haben wir bislang alles richtig gemacht, meinst du nicht?"

"Das ist durchaus ein Argument." Sie begann in ihrer eigenen Tasche zu fischen und zog ein Stückchen Käse heraus, das sie in zwei Teile brach und eines davon Rena hinüber schob. Als sie die Hand zurückzog, ballte sie sie ein paar Mal mühselig zur Faust. "Sag mal, meinst du Salpikon ist in der Lage, meine Kleidung mit einem Wärmezauber zu belegen, der sich bei bestimmten Temperaturen aktiviert? Das kann ja so nicht weitergehen."

"Kann er bestimmt und ich glaube, dass der Bruch in der Linken Hand jetzt dafür gesorgt hat, dass er zurück auf dem Boden der Tatsachen angekommen ist und sich hier eindeutig gesprächsbereiter zeigen wird", antwortete sie und nahm das Stück Käse an, nur um wenig später davon abzubeißen, weil sie den würzigen Geschmack davon mochte, auch wenn eindeutig der Bitterwein dazu fehlte, aber dafür hatten sie am Abend noch genug Zeit, wenn das Lagerfeuer brannte. "Ich hab übrigens einen Brief bei mir, den ich an meinen Onkel schicken werde. Die Magierakademie in Brabak hat uns verraten und ich denke, ich kriege ihn mit der Hand und dem Hinweis darauf, dass er sich jetzt wieder ein wenig mehr rühmen darf, dazu, dass er die Akademie nicht mehr mit Geld unterstützt."

Die Pferdehufe im Schnee machten ein knirschendes Geräusch, wenn sie durch die frostige Oberfläche brachen, nur unterbrochen vom leisen Klimpern der Metallteile an Sattel, Taschen oder Zaumzeugen, hier und da ein leiser Gesprächsfetzen, zu weit weg, um ihn verstehen zu können und dazwischen das Schauben der Pferde, das die warme Luft in Wölkchen um das Maul erschienen ließ, bevor diese sich auflösten und Svea lauschte dem eine ganze Weile.
Die Situation war verfahren und sie hatten viele Hoffnungen - geschürt durch Savertin - in die anderen gelegt. Nun mussten sie sehen, wie sie zurechtkamen. "Stinkt es dir auch langsam, ständig und stetig von Magiern umgeben zu sein? Momentan anwesende ausgenommen?"

"Du hast ja keine Ahnung ... Magiern, die allesamt glauben, sie wüssten, wie die Welt funktioniert und wir wären allesamt nur ganz kleine Lichter und müssten ihrer Weitsicht folgen. Ich habe die Nase voll von Magiern, die glauben, sie wären göttergleich und ihre Macht wäre unbegrenzt, nur damit sie am Ende doch wieder auf die Fresse kriegen und wir einfache Götterbüttel - wie sie nicht müde werden zu betonen - müssen sie aus dem Mist wieder rausholen", stimmte sie zu und nickte düster.
"Deswegen ist Havena auch so toll ... da gibt es ein Magieverbot."

"Da gibt es Meer, Rena", lachte Svea leise. "Vertausch hier mal nicht die Prioritäten."

"Magieverbot, Meer, frischen Fisch und Menschen, die einem auf den Kopf zu sagen, was sie von einem halten und die ihre Freiheit lieben. Ja ...."

"Streich das erste, aber den Rest kannst du auch in Thorwal haben." Daraufhin schien sie eine Weile in Gedanken versunken zu sein, ehe sie zu Rena hinübersah. "Für den Fall - und, lass es mich bitte sagen - für den Fall, dass Tjark und oder die Kinder tot sind, was niemand hofft und ich noch weniger annehme - werde ich nicht mehr dahin zurückkehren. Und bis ich sie finde ebenfalls nicht mehr. Es wäre mir also ein Vergnügen, dich einstweilen zu begleiten."

Rena beugte sich zu Svea hinüber und legte ihr die Linke Hand auf den Arm, kurz mit den verbliebenen Fingern darüber streichend. "Du bist jederzeit willkommen. Komm gerne mit nach Havena - Leonore wird sich sicher auch freuen dich wiederzusehen."

"Wer sonst sollte ihr denn auch beibringen, wie man mit der Holzaxt umgeht?", fragte Svea unschuldig.

"Oh gütige Götter ... Raidri hat ihr schon eine Lanze gekauft, befürchte ich, und ich weiß ehrlich gesagt noch nicht, was ich davon halten soll. Vielleicht wird sie eines Tages auch mal eine Dienerin der Peraine oder Travia? Irgendetwas, das nicht mit Kämpfen zu tun hat?"

"Oh, Olena hatte ein kleines Set aus Holzgefäßen und getrocknete Blumen auf den Weg gebracht. Essbar und scheinbar heilend."

"Ich habe also wirklich noch Hoffnungen darauf, dass die kleine Chance besteht, sie könne sich für einen weniger lebensgefährlichen Weg entscheiden. Bei Gelegenheit werd ich mich dafür auf jeden Fall bei Olena bedanken."

"So oder so, sie geht eben ihren eigenen Weg. Und ihr Name ist doch schon ein Wegweiser, findest du nicht?"

Rena runzelte die Stirn und betrachte Svea eine Weile lang skeptisch ehe sie sich die Frage zu stellen traute, die ihr da gerade auf den Lippen lag.
"Ihre Namensvettern ist eine Heilige der Rondrakirche. Meintest du das?"

"Nein. Aber auch das wäre ein Weg - Leonore bedeutet 'die Barmherzige'."

"Namen haben eine Bedeutung?", hakte Rena stirnrunzelnd nach, weil sie bislang niemals darum gekümmert hatte. Sie hatte sich für den Namen entschieden, weil sie eine Heilige der Rondrakirche war und weil sie den Namen mochte, geglaubt hatte, dass sie damit zum einen Alriks Familie einen Gefallen getan hatte und zum anderen, weil er einfach genug war, als dass kaum jemand damit lästige Spitznamen erschaffen konnte. "Ich wusste nicht, dass Namen Bedeutungen haben ... ich dachte, das wäre so ein Elfending."

"Vielleicht haben wir uns damit ein wenig anstecken lassen", gestand Svea und grinste plötzlich, als ihr wieder etwas einfiel. "Dann wirst du auch nicht wissen, was Rena heißt?"

"Dazu gibt es eine Bedeutung? Ich wusste bis zum Horasreich nicht einmal, ob das überhaupt mein richtiger Name war."

"Die Wiedergeborene, die Scheue. Ob es nun dein wahrer Name ist oder nicht, ist doch völlig egal, wenn es das ist, was du in deinem Leben trägst, aber Rena passt zu dir."

Rena blinzelte eine Weile lang, klappte den Mund wie ein Fisch auf und wieder zu, weil ihr partout doch nichts einfiel, was sie hätte darauf antworten können, um Svea zu widersprechen. Die Scheue ... das traf ziemlich und was wiedergeboren anbelangte - sie hoffte inständig darauf, dass sie nicht wiedergeborener werden würde. "Uhm ...", machte sie schließlich äußerst geistreich und verzog das Gesicht, aus dem Konzept ihrer eigenen Gedanken gebracht. Wenn sie eine Sache wollte, dann war es definitiv nicht wiedergeboren zu werden, nachdem sie all das hier überstanden und hoffentlich überlebt hatte.
"Was heißt Svea?"

"Frei", kam es schlicht zurück. "Ursprünglich sollte es Lykka sein - Glück. Vielleicht hätte das als Zweitname gut getan an mir."