Logbuch 1

Der Schweißstab in seinen Händen, nicht größer als eine ein-Liter Flasche, glitt über das abgegriffene Material der SeaOtter, dem gerade noch so flugtüchtigen Schiff auf dem er nun bereits seit gut sechs Monaten arbeitete. Der Bewerbungsprozess der Iris-Corp. war denkbar einfach gewesen - er hatte recht schnell eine Möglichkeit gesucht von der Erde zu kommen und gegen eine gewisse Reduzierung seines Lohns und seines Urlaubsanspruches hatte niemand in der Vermittlungsstelle von Iris-Corp. unnötige Fragen gestellt. Sie hatten ihm ein paar Arbeitsproben vorgesetzt und nach ein paar Stunden für fähig genug befunden, als alleiniger Techniker auf einem Rettungsschiff zu dienen, was ihn mehr als verwundert hatte, denn normalerweise gehörten dazu etliche Jahre Erfahrung im Warten von Sauerstoffaufbereitungsmaschinen und allen anderen lebensnotwendigen Gerätschaften auf einem Schiff, doch die Antwort "ja, habe ich schon mal gemacht", hatte scheinbar auch ausgereicht, um ihn hierhin zu versetzen.
Die Zigarette verteilte reichlich Asche und rieselte direkt neben ihm zu Boden, als er einen tiefen Zug nahm und sich daraufhin zur Seite legte, um an die unteren Bereiche der Kabelschächte zu kommen. "Verdammte Scheiße, wer hat das denn hier verkabelt? MacGyver?"Mit einem lauten Schnauben griff er so lang in das Gewulst aus Kabeln, bis er ein besonders breites zu greifen bekam und fest daran zog. Für einen kurzen Augenblick herrschte daraufhin vollkommene Dunkelheit und man hörte, wie bereits die ersten Maschinen herunterfuhren. "Oh Shit", murmelte er leise, um kurz darauf im Licht seiner fast erloschenen Zigarette die restlichen Kabel umzustecken, nun da er Platz dafür hätte. "Lebensnotwendige Systeme sind ohne Energieversorgung, die Sauerstoffzufuhr ist ...", "Ja, ja ... halt die Klappe", murmelte Ian vor sich hin und führte das breite Kabel wieder an seinen vorherigen Platz, woraufhin die Flut an Bordlichtern wieder aufflammte. "So, wollen mal sehen ob es etwas gebracht hat." Die mechanische Hand seines ausgestreckten Arms huschte mit übermenschlicher Geschwindigkeit über ein Terminal, welches kurz darauf grün aufleuchtete. Für gut eine Minute herrschte vollkommene Stille, so wie seit Monaten auf dem Schiff, doch dann wurde sie von einer für Ian nur allzu bekannten Stimme unterbrochen. "I can feel ist, calling in the air tonight ..." Sang nun über die Bordanlage ein Jahrhunderte alter Sänger und Ian klatschte vor Freunde in die Hände. "Ja - Leute es klappt endlich, die maroden Anschlusskabel sind doch noch zu gebrauchen!" Gab er voller Begeisterung über die Sprechanlage an alle anderen auf dem Schiff weiter.

"Oh Grundgütiger!", tönte es durch die Gegensprechanlage aus dem Cockpit des Schiffs, das Claire seit einer ganzen Weile bereits ihr Eigen nannte - einmal ganz abgesehen davon, dass es eigentlich immer noch Iris Corp. gehörte und sie hier noch nicht einmal das Sagen hatte. Sie flog das Schiff und im Grunde gehörte es ihr, einmal unabhängig davon, was William ihr sagte und wie sehr sie beide immer wieder darüber in Diskussionen gerieten. "Ian! Du sollst nicht auf dem Schiff rauchen!", folgte es während sie hastig mit den Fingern über die holographische Tastatur huschte, um die Fehlermeldungen wegzublicken, die beständig aufs Neue aufblinkten, weil der Rauch des Technikers wieder einmal zahlreiche Sensoren aktiviert hatte, die ihr jetzt alle rot ins Auge sprangen und die ihr die Sicht versperrten.
"Ich habs dir gesagt! Verdammt, Ian! Mach die verdammte Kippe aus!", fluchte sie weiter und wischte die nächste Meldung bei Seite und lehnte sich zurück, nur um ein paar Mal durchzuatmen und sich dann doch wieder durch die blonden Haare zu raufen. "Oh Versuchs gar nicht erst! Ich seh dich! Das Schiff hat Kameras und die funktionieren noch ziemlich gut! Mach sie aus!"

"Das solltest du wirklich!" tönte Han-na's Stimme durch eine weitere Gegensprechanlage. "Ich muss das Melden Ian! Deine Organe gehören im Falle eines Ablebens Iris Corp. und ihr Wert sinkt dramatisch, wenn du dich mit Zigarettenrauch vollstopfst!" ein kurzes kruscheln war zu hören, während die Schiffsärztin einen ihrer Lollis auspackte. "Nikotin ist nur eine von etwa 4800 Chemikalien im Tabakrauch, etwa 90 davon sind nachgewiesenermaßen krebserregend. Dazu zählen Arsen, Blei, Cadmium, Formaldehyd, Benzol oder Nitrosamine. Sie können das Erbgut der Zellen irreversibel schädigen und bösartige Tumoren sowie Leukämien auslösen. Andere Bestandteile des Tabakrauchs verstärken die krebserregende Wirkung. Ammoniak reizt die Atemwege bereits in geringer Konzentration und Acetaldehyd lähmt die Flimmerhärchen im Bronchialtrakt, welche die Atemwege von Schadstoffen befreien sollen. Krebserzeugende Chemikalien werden schlechter aus der Lunge abtransportiert und können länger auf das Gewebe einwirken. Was ich damit sagen will: Dir wird der Zeitwert deiner Organe vom Lohn abgezogen."

"Ach verdammt ja - sorry ihr habt vollkommen recht, ich hab ganz vergessen ..." Er drückte seine Zigarette zielgerichtet auf der Linse der Kamera aus, nur um sich darauf die nächste anzuzünden. "Ich ess stattdessen nen Apfel, in Ordnung Hanna? Und nachher mach ich dann dieses Rückenzeug zu dem du mir geraten hast, ich muss vorher nur schnell", er ging erneut auf dem Boden, wobei ihm wieder der matte Schein des Zigarettenendes beim ausleuchten half. Irgendwo hier musste es doch sein ... er schob sich ein Stück weiter nach vorn, streckte den mechanischen Arm aus und sah dabei zu, wie sich die Enden der Finger ein Stück verlängerten, indem sich die Enden der Fingerknöchel voneinander trennten und mit einer kleinen Schiene weiter voran geschoben wurden. "Da hinten bis du ja ..." Oder besser gesagt es, denn ein loser Kontakt hatte, wie er vermutet hatte dafür gesorgt das ihre letzte Anfahrt durch das Ausfallen jeglicher Sensoren zum reinen Glücksspiel geworden war, wobei vor allem die Außenhülle darunter gelitten hatte. "Ich glaub ich habs!" Rief er aus dem Kabelschacht hervor, unwissend ob eines der Mikrofone seines Stimme überhaupt aufgreifen würde.

"Han-na!" erwiderte Selbennamige. "Ich heiße Han-na! Die Betonung liegt auf dem NA. N.A!" gab die Schiffsärztin zurück, während sie beleidigt ihren Lollipop von einer zur anderen Wange schob. "Und die verdammten Kameras wirst du auch bezahlen müssen wenn du sie kaputt machst. Aber du wirst es dir ja wahrscheinlich eh leisten können! Ich hab auf Sununu mal gechecked was die Durchschnittsgehälter sind! Claire, kannst du dir vorstellen, dass die Kerle ernsthaft im Schnitt zwanzig Prozent mehr verdienen als wir? Wir leben im verdammten 23ten Jahrhundert!" sie schnaubte und hörte auf mit ihrem Drehstuhl hin und her zu wippen. "Da merkt man gleich was für Patriarchale Strukturen hier drin stecken! Hast du gehört Ian? Du bist ein Rollenbild! Ein KLI-SCHEE!"

Wenn Han-na nun noch anfangen würde, alle Worte wie ihren Namen zu betonen, müsste William vielleicht doch in Erwägung ziehen, sie einfach durch die Schleuse hinaus ins Weltall zu katapultieren. Sie machten das hier schon seit sechs Monaten mit und nicht ein Tag verging, an dem sie mindestens fünfmal auf diesen Witz ansprang, den Ian sich aus ihrem Namen machte. Sehr selten nur sagte er etwas dazu und auch heute zog er es vor, die Klappe zu halten, als er sich in seinem Sitz nach hinten lehnte und die Sternenkarte über ihren Köpfen musterte, die eine Projektion dort hin brachte. Sie veränderte sich beinahe sekündlich, so rasch bewegten sie sich gerade, wenn auch nicht im Hyperraum. Den hatten sie schon lange nicht mehr gesehen, nachdem der Antrieb dafür ausgefallen war und sie sich die Reparaturkosten nicht leisten konnten und leider machte all das die Reise zu einer sehr langen Angelegenheit.
Aus den Augenwinkeln konnte er Claire beobachten, die sich eben zu Han-na umgedreht hatte und für einen Bruchteil war ein winziges Lächeln auf seinem Gesicht zu erkennen. Und es würde losgehen in drei ... zwei ... eins ... -

Claire verkniff sich jeden weiteren Kommentar und presste die Lippen aufeinander, weil sie weder Han-na erinnern wollte, dass sie noch immer mehr verdiente als die Tierärztin, von der sie sich definitiv nicht einmal freiwillig einrenken lassen würde, noch würde sie Ian daran erinnern, dass sie ihn umbringen würde, wenn die Kamera nicht binnen fünf Minuten wieder laufen würde. "Wundervoll", konnte sie es sich trotzdem nicht verkneifen während sie den Kurs noch einmal änderte. "Du weißt, dass ich da jetzt gar nichts mehr sehe", erinnerte sie ihn dann und schüttelte den Kopf bevor ihre Aufmerksamkeit wieder nach vorn gelenkt wurde.
Ein paar hastige Tastendrücke folgten bevor Claire scharf die Luft einsog und blass wurde. "Oh oh."

"Oh oh?", echote William mit hochgezogenen Augenbrauen, aber noch ohne sich aus seiner Position zu rühren oder zu ihr hinüber zu sehen. Nicht einmal sein Herzschlag beschleunigte sich, obwohl er der Hektik gewahrt wurde, die neben ihm begann. Er erwartete, gar nicht erst noch einmal nachfragen zu müssen, das hatten sie inzwischen wohl gelernt, wenn er einmal etwas sagte, erwartete er, dass sie zuhörten, ob nun Ex-Militär oder nicht.

"Das Schiff lässt sich nicht steuern", begann Claire zu erklären, während sie Taste um Taste betätigte, immer wieder neue Kombinationen eingab und dann doch wieder wütend los fluchte. "Es reagiert auf keine weitere Eingabe - die manuelle Steuerung lässt sich nicht starten. Die Außenkameras sind beinahe vollständig ausgefallen", führte sie weiter fort, beinahe schon vergessen habend, dass der Captain neben ihr saß und sie ihm eigentlich gerade Rechenschaft schuldete.
"Ich hab keine Ahnung, was Ian da gemacht hat, aber es geht nichts. Der Kern ist ausgefallen und wir bewegen uns", plapperte sie weiter und schluckte, bewegte sich in ihrem Sitz und tippelte immer weiter wild auf ihrer Tastatur umher. "Weil ... wir ... angezogen werden."

"Der Kern läuft verfluchte Scheiße! Der läuft schneller als Usain Bolt mit Löwen im Genick und deine Mutter zusammen verdammt noch mal! Und deine Eingaben kommen hier auch alle an - sie werden nur nicht umgesetzt ... Oh Scheiße, Scheiße und noch mal Scheiße ... da greift uns jemand ab oder? Ja klar, so würd ichs auch machen. Blockiert alle Eingaben kurz vor der Ausführung, blockt die Düsen um jeden Schub zu verhindern und zieht und gleichzeitig an." Er kannte diese Taktik, hatte sie bereits aus verschiedenen Perspektiven erlebt oder ausgeführt. "Captain? Wissen sie wies hier mit Piraterie aussieht? Ich dachte Iris Corp. ging hier einfach nur von einem liegen gebliebenem Schiff aus, nicht von einem Überfall ... das allerdings ..."

"Piraten?" quietschte Han-na. "Verflucht noch eins, wisst ihr was Piraten mit uns machen? Meine Eltern haben kein Geld um Lösegeld zu bezahlen!" die Medizinierin spürte, wie ihr Herz in ihrer Brust schneller schlug und sich ihre Atmung beschleunigte. "Macht doch was! Verdammt noch mal! Macht doch was! Scheiße Ian! Scheiße Ian! Ich hasse dich! Wenn ich wegen dir sterbe werde ich dich heimsuchen! Deine ganze Scheiß Ewigkeit werde ich dich heimsuchen!" ihre Stimme wurde derart Schrill, dass die Lautsprecher übersteuerten und knackten. "Captain! Captain mach was! Knall wen ab oder so!"

Seufzend schloss William die Augen, dann handelte er viel schneller, als seine vorherige Lethargie erwarten hatte lassen. Er stand auf, war innerhalb eines Augenblicks vor Han-na und griff sie an der Schulter. "Schluss damit", befahl er und deutete aus der Sichtscheibe hinaus zu dem anderen Raumschiff, auf das sie unweigerlich zusteuerten. "Das Gejammer hilft uns nicht und niemand wird hier von irgendwem Lösegeld verlangen." Geschweige denn, dass er jemanden hätte, der es zahlen würde und er wusste, wie es mit den anderen stand, das mussten sie ihm nicht noch ins Gedächtnis rufen. "Setz dich und atme tief durch." Er griff zu der Taste für die Lautsprecher, hörte es knacken, ehe er fortfuhr "Ian, kümmer dich da unten weiter darum, dass du dazwischen funkst. Du hast sie durchschaut, jetzt sei ihnen einen Schritt voraus. Claire, versuch es weiter mit dem Gegensteuern, die Sekunde, in der du es schaffst, springen wir in den Hyperraum. Wir werden keine lange Strecke schaffen, aber zumindest aus ihrer Reichweite kommen und dort können sie uns nicht verfolgen." Mit keiner Faser ließ er sich anmerken, dass die Situation ihm ebenfalls zu schaffen machte, denn mal im Ernst, das dort vor ihnen war um mindestens das Hundert-, wenn nicht Tausendfache größer. Die SeaOtter würde komplett in deren Cockpit passen.
"Claire, verbinde mich mit dem anderen Schiff."

Ein kurzes und mehr als knappes Nicken folgte von der Seite der Jüngeren, die in jenem Moment in den puren Automatikmodus umgeschaltet hatte und die Verbindung zu dem anderen Schiff aufzubauen versuchte. "Sie antworten nicht", erwiderte sie nach einer Weile, in der immer wieder die Verbindung abgebrochen war. Keine Reaktion - keine Benachrichtigung, nichts.
"Schau einfach kurz weg", kommentierte sie und schnaubte, während ihr eigenes Herz wild in ihrer Brust schlug. Wenn sie weiter den Kern belastete waren sie zu schnell - sie würden die SeaOtter zerstören und der Sprung, den der Captain hier gerade vorschlug, würde im schlimmsten Fall dafür sorgen, dass die Systeme ausfielen und die Sauerstoffversorgung nicht mehr arbeitete. Es führte kein Weg daran vorbei - sie würde den Kern manuell abschalten müssen. "Ian!", wandte sie sich an den Techniker. "Fahr den Kern manuell runter. Mit der Geschwindigkeit nehmen wir uns alle Gelegenheiten wieder raus zu kommen. Vielleicht kriegen wir einen Sprung hin, dann wenn ihr Traktorstrahl uns nicht mehr anzieht. Im Hangar kann ich das Schiff wenden und wir können den Sprung versuchen."

"Ähm Leute..." erwiderte Han-na, die sich mittlerweile wieder beruhigt hatte und sich von William hatte loseisen können. Die junge Frau stand mittlerweile an einem der seitlichen Fenster, wo sie die Sonne dieses Sternensystem sehen konnte - und einen dunklen Fleck, der schnell größer wurde. "Ich glaube wir sind nicht das Einzige, was in deren Traktorstrahl reingeraten ist!" erklärte sie und trat instinktiv einige Schritte von dem Fenster zurück, als könnte sie das vor dem Asteroiden bewahren, der gerade auf direktem Konfrontationskurs zu ihnen war und stieß dabei gegen William. "Darf ich jetzt Panik bekommen?" fragte sie, Leichenblass.

"Ähm ... du willst WAS? Ich glaub du hast sie nicht mehr alle, wenn ich den Kern runterfahre braucht das Scheißding mindestens zwei Minuten um wieder auf volle Leistung zu gehen - wie willst du denn dann im Hangar navigieren?" Doch ihm selbst fiel auch nichts besseres ein, also drehte er an dem großen Stellrad so lange, bis sich der große Stab vollkommen im Boden versenkte. "Das wird richtig ekelig", murmelte Ian und zündete sich erneut eine Zigarette an, was kurz darauf die einzige Lichtquelle war, denn mit dem Herunterfahren der Systeme gab es nur noch die Notbeleuchtung an den Bodenleisten und das blinken der Armaturen.

"Nein", antwortete William auf Han-nas Frage hin und trat an ihr vorbei, im Vorbeischieben kurz ihre Schulter drückend und sie so an Ort und Stelle haltend, bevor er sich über selbige bei Claire beugte und die Stimme senkte. "Tu, was du für richtig hältst." Immer noch war seine Stimme ruhig, obwohl sein Mund inzwischen trocken und ihm wieder einmal bewusst wurde, dass er hier für drei andere Leben verantwortlich war. Sie mussten hier einfach lebend herauskommen.

Claire schluckte schwer, den Blick hinüber zu dem großen Asteroid gewandt, der da unmittelbar auf sie zukam und den Han-na so unsäglich hilfreich kommentiert hatte. Sie hatte kaum eine Auswahl als den Kern wieder hochzufahren. Panisch huschten ihre Finger über die Tasten, Eingabe um Eingabe folgte bis sie das System überging und in die manuellen Eingaben rutschte. Sie hatte seit jeher die Automatismen der neuen und älteren Schiffe gehasst, weil sie dem Piloten so viele Dinge abnahmen und ihr kaum mehr Spielraum ließen - mit all den Hilfen konnte selbst ein kleines Kind ein Schiff fliegen.
"Hinsetzen und Kopf unten halten", wies sie an und betätigte die Gegensprechanlage. "Ian, halt dich irgendwo fest", wandte sie sich an den Techniker und atmete noch einmal tief durch. Sie brauchte Energie und dafür musste alles andere auf beinahe Null gehalten werden - denkbar schlechter Zeitpunkt, damit Han-na jetzt zu hyperventilieren begann. "Notfallsystem eingeschaltet", dröhnte eine Computerstimme aus den Lautsprechern, während sie mit steinerner Miene weitere Eingaben tätigte. Ihr Herz hämmerte in ihrer Brust als der Schatten des Asteroids sich immer weiter näherte. Es musste klappen - es musste einfach. "Sauerstoffversorgung auf Minimum. Bitte begeben Sie sich zu den Rettungskapseln", dröhnte die Computerstimme weiter während das rote Licht das Cockpit beleuchtete und warnend blinkte. "Festhalten", raunte sie in den Raum hinein als die SeaOtter einen kurzen Satz nach hinten machte. Schrammend kreischte das Metall des Schiffes über den großen Stein des Astroiden und blinkend meldeten sich Fehlermeldungen aus dem System als kleine Löcher in den Rumpf gerissen wurden. "Druckausgleich nicht mehr gegeben. Notfallprotokoll eingeleitet", tönte erneut die Computerstimme als sich die Türen schlossen und verriegelten. Jetzt hatten sie also keine Wahl mehr.

Han-na riss die Augen auf, als ein gewaltiger Ruck durchs Schiff ging. Sie hörte noch das Kreischen des Metalls, sah aus dem Augenwinkel, wie die Feuertüren schlossen und schwerer Stahl aufeinander prallte. Die Augen der Koreanerin wurden größer, als der Asteroid mit einem lauten Knall gegen die AUßenhülle der gewaltigen Raumstation krachte und dort eine tiefe Delle, sowie einige Risse hinterließ. Mit einem Mal schienen sie wieder zu beschleunigen - es wirkte beinahe so, als habe der Aufprall den Traktorstrahl noch einmal verstärkt und mit einem kreischenden Sirren rasten sie in den Hangar. Sie spürte, wie CLaire die Füße der SeaOtter ausfuhr und versuchte den Notstrom auf alle Düsen zu schalten, als der Aufprall erfolgte. Auch das Cockpit vorne schnappte zu, hinterließ statt dem Sichtfenster nur eiserne Metallplatten und das Licht fiel aus, ehe es einige Sekunden später wieder ansprang. Ruhe war eingekehrt. "Leben wir noch?"

"Der Himmel ist das hier ganz sicher nicht", antwortete William und klopfte Han-na auf den Rücken, ehe er die blinkenden Lichter bei Claire musterte. "Will ich wissen, wie viel Schaden wir genommen haben?"

"Die bessere Fragen ist was noch intakt ist, dass würde wesentlich schneller gehen", murmelte Ian, der sich gerade durch die inzwischen wieder halboffene Brandschutztür schob. die Verriegelung hatte sich nach dem Aufprall anscheinend aus der Verankerung gelöst, sodass er sie mit ein wenig Gewalt soweit hatte aufschieben können, dass er gerade so hindurch passte. "Objektiv betrachtet sind wir flugunfähig - Subjektiv gesehen sind wir am Arsch, so richtig am Arsch. Der Kern ist zusammen mit beiden Antriebsdüsen gegrillt, dass komplette linke Steuerbord ist verbogen, ganz zu schweigen von den Sensoren die vorher schon nicht richtig wollten. Also sind wir wohl gestrandet, bei denen die uns jetzt vermutlich ans Leder wollen." Mit einer recht makaberen Art des Galgenhumors sah er zu der Tierärztin hinüber und setzte ein schiefes Lächeln auf. "Schon eine Idee wie du um dein Leben bitten kannst? Ich persönlich würde ja auch deine unkomplizierte Art als Begleitung setzen, definitiv deine größte Eigenschaft."

"Die Alternative wäre - wir sind tot - gewesen. Die Chance auf einen 70%igen Tod war mir lieber als 100%", teilte Claire mit hämmerndem Herzen mit und fuhr die Systeme vollständig herunter. Sie wusste, wie ihr Schiff aussah und es brach ihr das Herz, ihr Schiff in diesem Zustand zu lassen während sie nicht wussten, auf was für einer Station sie gerade waren und hinter ihnen bereits die Tore des Hangars geschlossen wurden. Sie knirschten und quietschten, aber sie schlossen sich und immerhin schien die Sauerstoffzufuhr auf der Station intakt zu sein.
"Wir ... müssen also da raus? ... auf die Station, nehme ich an?", fragte sie und seufzte, als sie den Blick des Captains auffing. "Im Übrigen - ich sags ja nur ungern, aber - gefunden. Das ist die Station."

"Das dort ... -" William verdrehte die Augen und nickte dann. War ja klar. Es war so verdammt klar, dass das die Station war, zu der sie mussten. Eine, von der sie keine Antwort erhalten hatten. Kopfschüttelnd wandte er sich um und löste dann mit dem Drücken eines Knopfes eine Tür aus der Wand. Die Tür fiel ihm beinahe entgegen, aber statt die aufzufangen ließ er sie zu Boden knallen - das sollte so definitiv nicht sein, aber wichtiger als das Ding war das, was dahinter war. "Zieht euch die Raumanzüge an und nehmt euch Waffen. Und damit meine ich euch alle." Besser, sie brachten es hinter sich und wusste, woran sie waren.

Waffen. Sie hatten von Iris.Corp nicht genug Waffen erhalten, um vier Mann auszustatten. Der Captain als ehemaliger Militär hatte eine Schusswaffe bekommen - der Rest von ihnen?
Han-Na bewegte sich wie ein Taucher in ihrem übergroßen Anzug und warf einen Blick zu den anderen drei, welche ebenfalls in mehr zweckmäßigen als praktischen oder gar schönen Raumanzügen steckten. Ian hatte sein Schweißgerät dabei und irgend ein anderes Gerät, dass sie nicht zuordnen konnte. Claire hatte einen Schraubenschlüssel an ihren Werkzeuggürtel gehängt und schien gerade etwas anderes in eine der Taschen zu stopfen und die Medizinerin selbst hatte nur ihr Plasmaskalpell geufnden. Das mochte nicht als gute Waffe dienen, daher hatte sie vorsorglich auch einen medizinischen Tacker mitgenommen, mit dem man normalerweise Wunden verschloss. "Bin bereit!" meinte sie kleinlaut.

"Leute so sehr ich euren Einsatz ja bewundere, aber ich glaube nicht", er klopfte sich auf sein Schweißgerät und hob dann das Bolzenschussgerät, dass normalerweise zum provisorischen Flicken von Außenhüllen gedacht war. "Dass wir drei mit unseren Werkzeugen und sie mit ihrem Sturmgewehr Captain was ausmachen können. Vielleicht sollten wir uns einfach so schnell wie möglich von der Einsturzstelle hier wegbewegen und zusehen, dass wir vielleicht ein anderen Schiff finden das wir klauen können oder zumindest soweit flott bekommen, um damit zu fliehen. Denn ich bin mir sicher wer auch immer uns hierher gezogen hat, hat das sicher nicht aus reinem Interesse an unserer Person gemacht!"

Han-na hob die Augenbrauen und schüttelte den Kopf. "Wir werden dafür bezahlt diese armen Leute hier zu retten!" erwiderte sie, als jedoch keiner zu reagieren schien, tastete sie entnervt an dem großen, runden Glashelm herum, ehe sie den Knopf für den Lautsprecher fand. "Wir werden niemanden bestehlen Ian! Wir werden dafür bezahlt den armen Leuten hier zu helfen!" wiederholte sie, nun auch für alle hörbar. "Man verlässt sich hier auf uns! Ich meine, scheinbar ist ihre Kommunikation ausgefallen! Wahrscheinlich haben sie gehofft, dass wir ihnen helfen können und da sie uns nicht mehr kontaktieren konnten, haben sie uns mit dem Traktorstrahl angezogen! Schau mal!" sie deutete auf Fenster weit hinten im Hangar, zu dem eine steile Rampe führte. "Da oben ist Licht! Was hälst du davon, wenn du schaust, ob du was an unserem Raumschiff ausrichten kannst und wir anderen drei währenddessen nach dem Verantwortlichen hier suchen?"