Logbuch 1

Außer seinem Anzug hatte er nun nur noch seine Pistole am Gürtel und das Messer in der Hand. Mit nichts weiter schob er sich in den Schacht hinein, zwängte sich die ersten Meter und stieß dann auf die vertrauten, breiteren Wege, in denen er sich wenigstens halbwegs rühren konnte. Nicht stehend, aber immerhin kriechend statt robbend. Spinnweben setzten sich auf seinem Visier fest und er wischte sie ärgerlich fort, während er weiter und weiter geradeaus der Spur folgte, die unverkennbar war. Ian und Claire würden das Vieh schon klein kriegen, bei Han-na war er sich ziemlich sicher, dass es nicht funktionieren würde. Sie wäre Futter. Oder Schlimmeres.
Harsch schob er seinen Gedanken einen Riegel vor, dann bog er um die nächste Ecke und hörte entfernt schon das Gebrüll der kleinen Koreanerin. Durchdringend. Aber hey - sie lebte noch!

"FASS MICH NIE WIEDER AN!" brüllte die Kleine, während sie mit ihrem noch immer vor Energie sirrenden Skalpell Stück für Stück der offenbar empfindlichen Tentakel abtrennte. Zischend und dampfend lagen einige der bisherigen Teile auf dem Boden, während Han-na - über und über mit Schleim und Blut, das Skalpell schwang wie ein sehr kleines Miniaturschwert. "DU dreckskapitalistische Missgeburt! Du schleimiges Phallussymbol!" er stach mit ihrem Skalpell auf eines der viel zu großen Augen, welches zuckte und weiß anlief, als das Skalpell zischend in es eindrang und das Eiweiß zu kochen begann. Heulend ließ Han-na das Skalpell los, stolperte rückwärts und fiel weich auf den Untergrund, der mittlerwiele nur noch unregelmäßig pulsierte, und dann gänzlich ruhig blieb.

"Du ... jepp -" William hatte es gerade aus dem Schacht geschafft und ... blinzelte. Han-na hatte sich zu einer kleinen, fluchenden Kampfmaschine entwickelt, aber die Situation in der sie saß und was sie dem Vieh um die Ohren (hatten sie Ohren?) knallte, war einfach nur absurd. "Han-na. Es ist tot. Ich glaube, du kannst aufhören, seine Tentakel zu zerstückeln."

"Das andere DIng war doch auch nicht tot!" schrie Han-na ihn an, der die Tränen die Wangen hinunter liefen. "Wo hast du uns da reingeführt?" sie schluchzte, stand schwankend auf und warf einen Blick nach hinten, doch das Skalpel musste sich durch alle Schichte des Auges hindurchgebrannt haben. Da käme sie nicht mehr dran -und sie wollte es auch nicht versuchen. Das Mädchen schüttelte den Kof, während sie sich aufraffte. "Bring mich hier weg...." schniefte sie.

"Dorthin, wo unsere Mission uns hingeführt hat", erwiderte William, deutlich leiser und trat auf Han-na zu, ehe er ihr die Hand auf die Schulter legte und sie lange ansah. "Das hier war nicht meine Entscheidung, so sehr ich es bedauere, dir das sagen zu müssen, aber du hast dich dafür gemeldet. Jetzt müssen wir zusehen, wie wir hier wieder rauskommen." Er konnte lügen und sagen, dass sie das mit links schaffen würden, aber es schönzureden brachte doch niemandem etwas. "Komm schon, wir müssen zurück. Die anderen machen sich schon Sorgen um dich."

"Ich hab' mich nicht DAFÜR freiwillig gemeldet!" erwiderte Han-na und schüttelte nur den Kopf. Sie war davon ausgegangen, dass es ein beschwerlicher Auftrag werden würde. Das sie viel zu tun bekäme, das bei einer unterdurchschnittlichen Bezahlung - das war ja alles in allem richtig, aber Monster? Und sie hatten noch keinen einzigen Menschen hier auf der Station gesehen... sie schüttelte sich, versuchte gegen Übelkeit und Gänsehaut anzukommen und folgte William. Langsam beschlich sie das Gefühl, dass er mehr wusste als er sagte...

"Han-na?", hakte er nach, als er ihren skeptischen Blick bemerkte.

"Alles gut," erwiderte die andere und setzte ein Lächeln auf. "Es ist alles gut!" log sie und schluckte ihre Tränen runter. Sie würde rausfinden was hier los war - aber sie wusste, dass er ihr nichts sagen würde.

Han-na nahm ihre Taschenlampe fester in die Hand, ließ den Blick durch den vollkommen dunklen Gang streifen, der von dem Schein der Lampe nur unzureichend erhellt wurde. Eine Schweißperle lief ihr langsam die Stirn herab, fiel hinunter und zersprang auf dem Boden in tausend kleinere Wassertropfen. Ein Geräusch, das in jeder anderen Situation kaum hörbar gewesen wäre, nun aber in der angespannten Situation dieses von allen Göttern verlassenen Raumschiffes ohrenbetäubend laut war.
"Ian? William?" hakte Han-na nach und sah über die Schulter. "Wollt... ihr nicht vorgehen?"