Logbuch 1

Im ersten Moment war er versucht der andere irgend eine beleidigende Geste entgegenzuwerfen, doch gestaltete sich dies mit den Raumanzügen als durchaus schwer, weshalb er lediglich den Kopf schüttelte. "Und was soll ich da bitte prüfen Hanna? Die Teile sind allesamt verschmort, heruntergekohlt, defekt, kaputt" ein abgerissenes Stück Blech der SeaOtter, dass nach dem Aufprall bis hierher geflogen war, unterbrach ihn in seinem Monolog. "Außerdem wäre es mir ganz recht wenn wenigstens einer von uns beurteilen kann wie schlimm der Schaden hier wirklich ist, dann kann ich mich zumindest schon mal darauf einrichten wie lange wir hier bleiben werden."

"Zuerst werden wir nachsehen, was uns dort erwartet. Han-na, wir sind absolut nicht beauftragt, zu helfen, nur, nachzusehen, was hier los ist. Ian, Claire, das Schiff kann diesen Moment warten." Denn womöglich wurden sie in dieser Station getötet und dann brauchten sie sich den Kopf ohnehin nicht mehr darüber zu zerbrechen, wie man hier weg kam und was alles ausgetauscht werden konnte. Wenn sie Hilfe fanden oder Hilfe geben konnten und noch besser jemanden fanden, der das Kommando hier hatte, dann sollten sie wenigstens alle einmal aufgelaufen sein, damit es später nicht zu unerwünschten Besuchen kam, die ebenfalls im Tod enden würden, denn Funkkontakt konnte man hier vergessen, wie sie ja gesehen hatten.
Ein kurzer Blick über seine Crew ließ ihn innerlich aufstöhnen. Er hob die Hand, gebot ihnen Einhalt und beugte sich hinunter, um eine Truhe unter einer Sitzbank zu öffnen. Als das Schloss aufsprang, sich der Deckel aber nicht löste, runzelte er ärgerlich die Stirn und trat dagegen. Mit einem lauten Krachen flog der Deckel auf und wieder zu, schnappte aber nicht mehr ein.
"Okay, wer von euch kann mit einer Waffe umgehen?", fragte er, als er noch zwei weitere Pistolen und Munition aus der Truhe fischte und sich umwandte.

Was folgte war die allseits bekannte Stille wenn es um die Frage ging, wer eine Aufgabe oder Verantwortung übernehmen könnte, unterbrochen nur von dem Ächzen und Knarren des alten, gestrandeten Schiffes. "Ich" lies Ian schließlich verlauten und hob die Hand. "Ich hab keine Ausbildung wie du erhalten Captain aber ich hatte zumindest schon ein paar Mal eine in der Hand. Um" er fing Han-Nas misstrauischen Blick auf und zuckte mit den Schultern. "Um Luftlöcher in Tierkäfige zu schießen - ich war mal bei der Tierrettung Hanna. Ehrlich! Schau mich nicht so an, warn harter Job!"

„Gib mir die andere“, forderte Claire und streckte die Hand nach der Feuerwaffe aus, die Seitenblicke der anderen ignorierend. Sie war es gewohnt, dass man ihr - ausgerechnet ihr - nicht zutraute, sich verteidigen zu können und im Stillen schmunzelte sie immer wieder darüber. Sie hatte gelernt mit einer Waffe umzugehen, als sie kaum fünf Jahre alt gewesen war, weil ihre Familie der Meinung war, dass man stets und ständig mit dem Schlimmsten rechnen musste. Hier und jetzt schien es so, als wäre ihnen das Schlimmste gerade begegnet.
Bedauernd schielte sie noch einmal zurück zur SeaOtter, aber das Schiff war hin und sie würden es allerhöchstens in einem Trockendock reparieren können - dazu kam der erhebliche finanzielle Aufwand, der in erster Linie für die nächsten Monate Nudeln und Ketchup auf ihren Speiseplan setzen würde. Iris Corp würde jeden von ihnen umbringen, wenn es die Piraten hier nicht tun würden.
„Ich kann damit umgehen.“

"Du bist ein fleischfressender cis-het Wichser!" antwortete Han-na zuckersüß zu Ian und pustet sich eine Strähne aus der Stirn, ehe sie von einem zum anderen sah. "Gebt der Pilotin die Waffe!" sie ließ den Blick über ihre Kollegen wandern. "So wies aussieht, scheint hier noch der Strom zu laufen und irgendwo da vorne ist wohl der Eingang zur Raumstation. Ich schlage vor wir suchen ein Com-Term und machen ne Durchsage oder so, dass wir da sind. Ich mein, dann wird ja wohl wer antworten. Ich würde außerdem gern auf die Med-Station, vielleicht haben sie da ein paar Vorräte die wir selbst gebrauchen können und vielleicht kann ich da helfen! Kommt wer mit? "

Eine Hand an ihrer Schulter, der Griff diesmal viel fester als zuvor und William maß sie mit einem Blick, der sie hoffentlich zum Schweigen bringen würde. "Möchtest du also voraus und auskundschaften, was da kommt? Ohne Waffe?", fragte er nur, dann schob er sie nach hinten, direkt vor Ian. "Pass auf, dass sie nicht aus der Reihe tanzt."

"Klar doch" antwortete Ian mit einem schiefen Lächeln umr sah über seine Schulter, wobei er kaum mehr als den Haaransatz der Asiatin sehen konnte. "Hör zu ich weiß nicht ob es die beste Idee ist alles und jeden darüber zu informieren das wir hier sind. Es kann ebenso gut sein dass dieses Schiff schon seit Wochen besetzt ist und sich ein paar Spinner hier so lange einnisten, bis kaum noch was aus dem Wrack auszuschlachten ist - wenn wir selbst vorangehen haben wir wenigstens die Chance sie zu überraschen. Und wenns doch die Mannschaft ist werden sie sich freuen - so oder so ists sicherer, Hanna!"

William nickte den anderen noch einmal zu, dann wandte er sich zur Schleuse, damit sie hinauskommen konnten. Er drückte die Tastenkombination, die die Tür öffnen sollte, doch kein Zischen, kein Schrammen verriet, dass sie sich löste. "Claire? Ian?", hakte er nach, spürte die Schwere des Anzuges auf seinen Schultern und wandte sich zu den beiden um, die dieses Ding hier flugtauglich halten sollten. Wenn sie nun im eigenen Schiff festsaßen, würden sie sich etwas neues überlegen müssen, fernab von 'Vielleicht können wir jemandem helfen' hin zu 'Scheiße'.

"Ach verdammte Scheiße noch eins" murmelte Ian und schob den Captain unsanft zur Seite. "Ich hab keine Ahnung wie wir hier wieder runterkommen sollen" fluchte er leise, tippte dann selbst ein paar Mal auf der Konsole herum, jedoch mit dem gleichen Resultat - die Tür bewegte sich nicht einen Millimeter. "Das gibt's doch nicht, verfickte" seine Hand glitt unter die Halterung des Terminal, hin zu dem Schaltkasten, den er mit einem brechenden Geräusch aufzog und sich dann an den darin befindlichen Kabeln zu schaffen machte. Kurze Zeit danach zischte die Tür mit erstaunlicher Geschwindigkeit auf, und ein leerer, stiller Hangar nahm sie in Empfang.

"Mein Schiff!", quiekte Claire auf mit Schrecken im Gesicht während sie Ian verständnislos anstarrte. In seiner Hand hingen noch die Kabel, Funken sprühten aus den Enden und instinktiv wusste sie, dass sie hier nie wieder wegkommen würden - zumindest nicht mit diesem Schiff. Sie würden eine Alternative brauchen - eine, die sie bei Möglichkeit finden mussten, bevor sie auf die ersten Piraten trafen, die ihnen ans Leder wollten. "Das geht auf deine Kappe!"

"Dein Schiff, ja?", echote William und packte sie diesmal, sie unsanft zur Tür hinaus befördernd, weil sie sonst noch ewig auf diesen paar Quadratmetern standen und niemals am Ziel ankommen würden. "Los jetzt."

"Ey!" versuchte Han-na noch zu protestieren, wollte sie darauf hinweisen, dass sein Verhalten reines Machogehabe war, doch sie kam nicht dazu. Die Stille in dem geradezu riesigen Hangar war erdrückend - schien sie alle einzunehmen und jegliches Geräusch verschlucken zu wollen. Ein innerer Drang quälte sich in ihr nach oben etwas sagen zu müssen - etwas zu rufen, das unvermeidliche Echo zu provozieren, doch ein Blick auf William ließ sie verstummen. Der Griff um ihre Arzttasche wurde fester und gemeinsam mit Ian verließ sie das Schiff und betrat den Hangar, in dem hier und da Metallteile der SeaOtter lagen.

"Wir üben das mit dem Tragen nochmal, Cap", kommentierte Claire lediglich als sie den ersten Schritt nach vorn setzte und nur einen ganz kurzen Seitenblick zurück zu dem Älteren warf. Der Hangar war still - zu still für eine so große Station, wie jene auf der sie gerade gelandet waren und wo rauchend hinter ihr die Reste ihres Schiffes lagen. Der Asteroid hatte die Außenhülle der großen Station zum Glück nicht so weit zerstört, dass der Druckausgleich nicht mehr durchgeführt werden konnte und mit einem schweren Seufzen vergewisserte sie sich noch einmal, dass sowohl der große Schraubenschlüssel, wie auch die Pistole an Ort und Stelle waren.
Still deutete sie hinüber zu der nächsten Schleuse.

Er ließ ihnen gar nicht die Möglichkeit, nun zu debattieren, wer voran gehen sollte und setzte sich an die Spitze des kleinen, traurigen Zugs. Seine Schritte waren unangenehm laut in der unvertrauten Umgebung, in der scheinbar seit Wochen niemand mehr gewesen war, denn überall lagen Teile herum, die auch nicht zu ihrem Schiff gehört hatten. Wachsam wanderte sein Blick umher, scannte die Umgebung auf Gefahren, auf Geräusche oder etwas anderes und schließlich blieb er stehen und hob eine Hand, damit die anderen anhielten, ehe er mit dem Finger auf eine Tür am Ende des Hangars zeigte, in deren offenem Rahmen sich Schatten bewegten, jedenfalls dann, wenn man dabei war, wegzusehen.

Alles in Claire schrie danach, dass das hier eine Falle war und aus reinem Reflex und der Stimme ihres Vaters in ihrem Ohr griff sie nach der Waffe und entsicherte sie mit einem leisen Klicken. Es hätte immer noch eine gute Überraschung sein können und sie trafen hier auf harmlose Forscher und Bewohner, die hier ihr Heim gefunden hatten, aber lieber ließ sie sich in dieser Art und Weise überraschen als Gefahr zu laufen von einer Waffe an ihrem Kopf begrüßt zu werden. Leise setzte sie den nächsten Schritt, nahm ihren Platz an der Seite einer der Türen ein, den Rücken gegen das Metall gedrückt und in die Stille darin hinein lauschend, um zu ergründen, ob sie dort Stimmen hören konnte.

Ein Nicken zeigte Ian, dass er Han-na zurückhalten sollte, ehe er selbst von der gegenüberliegenden Position von Claire einen Schritt nach vorne machte, sich dabei in den Rahmen hinein drehte und die Waffe im Anschlag hatte. Er zielte auf ...
"Pflanzen ...?" Vollkommen irritiert sah er auf die Schlingpflanzen und Lianen, die sich von einem Bereich weit über ihren Köpfen nach unten hin streckten und sanft herumschwenkten.

Die Verwirrung in Williams Gesicht sorgte dafür, dass sich auch Claire in dem Rücken des Größeren nach vorn bewegte, nur um kurz hinter ihm inne zu halten und sich die riesigen Pflanzen zu besehen, die dort von der Decke wucherten und die definitiv nicht hierher gehörten. Wortlos wandte sie sich um, setzte ein paar schnelle Schritte hinüber zu all den Trümmern, die am Boden lagen, nur um wenig später zurück zu kehren und ein Metallstück nach vorn in den Raum zu werfen. Sie hatte genug Geschichten gehört von Pflanzen, die Menschen verschlangen und noch wusste sie nicht, was auf dieser Station vorgefallen oder gezüchtet wurde - sie wollte ungern in einer Liane festhängen, die ein Bewusstsein entwickelt hatte.

Doch nichts von dem, was sie zu erwarten schien, geschah. Entweder die Dinger waren einfach nur Pflanzen, oder sie reagierten auf Wärme. Das konnte er nur herausfinden, indem er hineinging. Und ohne weiteres Federlesen tat er das auch, sie konnten ja nicht ewig am Eingang herumstehen und klingeln - bildlich gesprochen.

Han-na hatte mit wachsendem Zweifel im Blick das Vorgehen der beiden Kollegen betrachtet und dabei immer wieder einen Blick zu Ian geworfen, der angespannt schien. Die junge Frau konnte nicht verstehen, wie die anderen beiden glauben konnten, dass ihnen alles und jeder ans Leder wollte. Als der Captain dann schließlich den großen Eingangsbereich betrat, in welchem grünliches Licht durch das Blätterdach eines hübschen Foyers fiel und nichts weiter geschah, hätte sie beinahe aufgelacht, unterdrückte diesen Impuls aber. "Captain, Sir!" meldete sie sich zu Wort und deutete hinüber zu einer kleinen beleuchteten Tür. "Sieht ganz so aus, als ob die Schwebebahn hier drin noch Saft hat! Wir können also zu den anderen Teilen des Schiffs fahren!"

"Pscht!", machte Claire in Richtung der Ärztin und verengte die Augen ehe sie schließlich den ersten Schritt nach vorn setzte. Nur ganz kurz tauschte sie einen Blick mit den beiden Männern der kleinen Gruppe ehe sie Ian schließlich nach vorn scheuchte, um sich die Steuerung noch einmal ansehen. Wenn sie herausfinden wollten, weshalb es hier so ruhig war und weshalb ihnen bislang niemand entgegen gekommen war, dann würden sie keine andere Wahl haben als sich tiefer in die Station zu wagen. Während Ian sich an der Steuerung zu schaffen machte, um die Schwebebahn wieder in Bewegung zu bringen, wandte sich Claire noch einmal an William.
"Der Traktorstrahl lässt sich nur von der Brücke ausschalten. Dort müsste auch eine Auflistung sein, ob noch Rettungsschiffe und Kapseln hier sind", gab sie zu bedenken. "Wir haben außerdem dort das Logg der Systeme. Wir sollten also dort hin und wir kommen nur über die Bahn dorthin - zumindest, wenn ich Ians Gebrummel eben richtig verstanden habe."

Noch mehr enge Räume - wunderbar. Was konnte schon schief gehen? Aber die Alternativen waren denkbar ungünstig und wenn er nicht wieder durch Belüftungsschächte kriechen wollte, war das wohl das Transportmittel der Wahl. "Was wir brauchen ist ein Rettungsschiff oder Ersatzteile. Die Kapseln können wir getrost vergessen, allerhöchstens um zu sehen, ob dort Leute sind, die sich verkrochen haben. Wenn aber die Systeme und die Notaggregate ausgefallen sind, finden wir dort nur verwesende Leichen nach all der Zeit."

"Was?" Han-na schluckte und blinzelte. "Was soll das heißen nach all der Zeit? Ich dachte wir wären sofort hierher geschickt worden?" sie schüttelte den Kopf und trat einen Schritt auf William zu. "Was ist das für ein Schiff Captain? Wir sind hierher gekommen um zu helfen - und ganz offensichtlich scheint hier echt was schief gelaufen zu sein. Wofür ist diese Station am Arsch der bekannten Galaxie eigentlich da?"

"Wir wurden vor sechs Monaten losgeschickt - in Annahme dessen, dass unser Hyperantrieb dauerhaft funktioniert, wären wir schon vor vier Monaten und drei Tagen hier gewesen", erklärte William. "Wir sind vermutlich zu spät, mach dich drauf gefasst. Diese Station sollte eine Forschungsstation werden, um eine weitere erdähnliche Heimat zu finden. Von hier aus gestaltete sich die Suche bislang einfacher als von der Erde aus."

"Na wunderbar - bisher hat Kolonilalisierung in der Geschichte der Menschheit ja noch nie was Schlechtes hervorgebracht, hm?" sie schüttelte den Kopf und lugte zu Ian, der sich mittlerweile wieder von der Konsole entfernte, woraufhin die Tür der Schwebebahn sich mit einem leisen Zischen öffnete. Dampf und eiskalter Nebel wallte ihnen entgegen, das Innere der Bahn selbst wirkte jedoch leer, beinahe gespenstisch. An der Wand ihnen gegenüber blinkte eine Karte. "Wir sind wohl hier...." tippte Han-na auf den Ort namens Cargo Hold "und wir müssen da hin!" die Brücke blinkte Grün auf.

"Sollte", echote Claire mit einem kurzen Seitenblick hinüber zu William während sie weiter nach vorn lief, umbegeistert darüber, dass er Han-na nicht die ganze Wahrheit der letzten Informationen mitgab. "Jedenfalls gibt es seit sechs Monaten kein Signal mehr. Das Letzte, was wir erhielten, war ein abgehackter Hilferuf und danach ist die Station nicht mehr erreichbar gewesen. Laut den Systemen wurden keine Rettungskapseln abgeschossen. Unsere Aufgabe ist das Logg zu finden und herauszufinden, was hier geschehen ist", fügte sie hinzu während sie die Schwebebahn betrat und Han-nas bleiches Gesicht betrachtete.
"Fang bitte nicht an zu kreischen. Vor allem nicht hier und jetzt und rumrennen und mit den Armen wedeln wird auch nichts mehr ändern. Die SeaOtter ist nicht nutzbar im Augenblick und wir haben noch keine Lösung für dieses Problem."