Logbuch 1

Han-na riss die Augen auf, blinzelte noch immer ungläubig, während das Fiepsen in ihrem Ohr immer lauter und lauter wurde. Sie starrte Ian an, ehe sie einige Schritte zur Seite schwankte und krachend gegen einen der Küchenschränke stieß. Es schepperte im Inneren und Han-na öffnete den Mund um etwas zu sagen, ihn anzuschreien - da fiel ihr das klebrige etwas an ihrer Wange auf, was von dem Schleimvieh übrig geblieben war. Sie fasste sich an die Wange, zerrieb dies zwischen den Fingern, blickte dann zu dem Rest auf dem Boden, welcher zuckend danieder lag. "Was... war das?"

"Ein Monster", kam es sehr ruhig und lapidar von der Seite. "Kreisch nicht, wir wissen noch nicht, ob sie von Lärm, Bewegung oder Wärme angelockt werden."

Ian gestattete sich einen kurzen Moment der Panik und wandte sein Gesicht selbst ab, während er seine Zigarette in den rechten Mundwinkel schob und aus dem linken den überschüssigen Rauch blies. "Leute ... nur eine Idee aber vielleicht sollten wir ebenfalls einen Notruf absetzen, damit man diese, naja was auch immer einäschern kann. Vielleicht haben wir auch ganz nebenbei irgend eine bisher nicht bekannte Spezies an ... Tieren entdeckt. Sofern das eigenständige Lebensformen sind."

"Wohin, hm? Sie haben uns gesandt, das sagt doch wohl alles über die Situation."

"Wir sind die Verstärkung, Ian", antwortete Claire über ihren Kaffeebecher hinweg während sie sich entschieden hatte, Han-na einstweilen zu ignorieren bis die sich wieder daran erinnert hatte, dass ihr größtes Problem gerade nicht aus Kolonialisierung sondern aus ein paar Monstern bestand, die ihnen allen hier ans Leder wollten. "Da wird niemand anderes kommen."

Han-na schluckte und tupfte sich einige Schweißperlen von der Stirn ab. "In Ordnung..." versuchte sie sich selbst zu beruhigen. "Wir müssen rausfinden was hier passiert ist - wir... wir müssen immer noch einen Kran oder so finden, um die großen Dinger von der Schiene zu wuchten!"

"Wollt ihr mir etwa weiß machen, dass Iris Corp. davon wusste und uns einfach hierher geschickt haben, nur mit dieser mickrigen Bewaffnung und", er sah an sich selbst herunter und begutachtete noch einmal den Raumanzug, der reichlich demoliert aussah und vermutlich nur einen sehr begrenzten Schutz gegen jeden Angriff bieten würde. "Naja okay, nacheinander. Wir müssen so oder so mit diesen ... Was auch immer fertig werden. Wir sollten im übrigen einen besseren Namen dafür finden als einfach Monster, findet ihr nicht? Jedenfalls dürfte das mit den Schienen einfach werden: wir müssen nur in einen Kontrollraum und dort den Zugriff für die Gleise finden. Solche Transportwege haben normalerweise eine enorm hohe Heizmöglichkeit, für den Fall das irgendwo ein Leck in der Außenhülle entsteht und die Schienen vereisen. Mit etwas Glück reicht das, um das Metall darüber so weich zu bekommen das es an den Seiten herunterfällt."

"Unser Zug steht doch auch auf den Gleisen! Unmittelbar davor! Wir könnten genauso gut die Gleise oder unsere Räder verbiegen! Dann kommen wir doch auch keinen Schritt weiter!" murrte die junge Koreanerin. "Und auf Iris Corp. können wir uns wohl wirklich nicht verlassen!" sie schüttelte den Kopf und fuhr sich einmal durch die Haare. "William! Sag doch auch mal was!"

"Wir suchen nach einem Kran, sollten wir keinen finden, nehmen wir andere Wege zum Kontrollzentrum, die euch vermutlich nicht gefallen werden, aber unsere einzige Möglichkeit sind nach oben zu gelangen. Im Moment sieht es so aus: wir können entweder weiter oder zurück zum Schiff - aber das ist fluguntauglich. Von daher wartet dort nur der Tod durch Verdursten auf uns oder eine Kugel, alternativ hier Monster oder eine Lösung." Er beherrschte sich um einen gleichmütigen Tonfall beizubehalten, als er von einem zum anderen sah. Sie waren so etwas nicht gewohnt und es war in Ordnung für sie, Angst zu haben, es war nur noch lange kein Grund für ihn, in Hektik oder Panik zu verfallen und sie noch mehr in diese Gefühlswelt zu treiben.

"Wow, Cap - du bist echt überragend darin Menschen Hoffnung zu machen" bemerkte Claire staubtrocken und mit einem schiefen Seitenblick auf den Captain. Wenn sie hier schon nicht rauskamen, ohne dass sie sich durch diese Viecher hindurch kämpften, dann wollte sie es wenigstens nicht mit zitternden Knien machen. "Ich hab nicht vor hier drin zu krepieren und mich fressen zu lassen, also sollten wir uns wohl besser auf den Weg machen, oder?"

"Mhm....." stimmte Han-na zu, und nickte - noch immer furchtsam. Ihre Knie fühlten sch weich an. Wie Pudding oder diesem Dinkel-Yoghurt den sie immer mit zu viel Zucker aß. Sie zogen sich alle langsam wieder an und auch Han-na zog wieder den an eine Taucherkugel erinnernden, Helm auf. Gerade war sie schon an der Tür, als sie sich noch mal umdrehte. "Was für ein Weg gefällt uns nicht? Ich.... ich dachte du warst noch nie hier?"

"Lassen wir das auf uns zukommen, wenn es so weit ist. Los, Leute", forderte er sie auf und wandte sich nach einem letzten Blick zur Tür hinüber. Es gab Dinge, die mussten sie nicht wissen. Im Laufen zog er sich seinen Helm auf und verschloss ihn mit dem Anzug, dann entsicherte er seine Waffe.

Claire nickte knapp und trat wieder halb hinter William, ihren eigenen Mut wieder nach einigen - viel zu vielen - Tassen Kaffee gefunden habend und das Klopfen ihres eigenen Herzens auf zu viel Koffein schiebend. Den Schraubenschlüssel in der einen Hand, die Waffe inzwischen wieder gesichert an ihrem Gürtel und mit einem letzten Blick auf das kleine Wesen, das Han-na angefallen hatte. Es würden noch mehr davon kommen, dessen war sie sich zumindest sicher und sie hatte nicht vor auf einer verlassenen Raumstation am Ende der Galaxie drauf zu gehen, weil sie sich vor Angst in den Raumanzug schiss und wenn sie ehrlich war, dann wollte sie sich auch nicht vor Ian und dem Captain blamieren. Es reichte, wenn es eine Heulsuse in der Gruppe gab.

Der Außenraum lag noch immer ruhig da - das orangene Licht des Notstroms flackerte in immer gleichen Kreisen, während sie sich durch das Sammelsurium an Werktischen hindurch bewegten. Han-na hob eine Taschenlampe von einem der Tische, knippste diese mehrmals an und aus und hob sie dann schließlich in den Anschlag, versuchte sich einen besseren Überblick zu verschaffen um zu erfahren wo sie hinmussten. Sie leuchtete nach links, nach rechts und nach einem kurzen Moment wieder zurück. "Leute?" hakte sie nach und hob den Blick. "Die Leiche von dem... Monster.... sie ist fort..."

"Wahrscheinlich wird es irgendein anderes Monster gefressen haben - oder es ist wieder aufgestanden, weil es Rache nehmen will", murrte Claire, weil sie in ihrer Jugend mehr als genug Videospiele gespielt hatte, um ganz genau zu wissen, dass das hier verdammt knapp werden würde - und dass die Viecher niemals tot blieben, wenn man nicht wirklich alles dafür getan hatte.

"WAS?" fiepte Han-na und wurde kreidebleich. "Rache?" sie machte einen Schritt näher auf WIlliam zu um in dessen Nähe zu bleiben. "Wohin .... Cap?"

"Komm einfach mit, Han-na. Halt die Augen offen und die Ohren, wenns geht aber nicht den Mund", gab er über die Schulter zurück, marschierte aber weiter. "Die Viecher sind irgendwo und es scheinen nicht nur zwei zu sein. Es bringt nichts, wenn ich euch da etwas vorlüge, ihr würdet euch nur in Sicherheit wiegen."
Ihr Weg führte durch mehrere Gänge hindurch zu einer großen Werkhalle, in der der Notstrom rot leuchtete, grobe Wände unterstrichen die Arbeiterlandschaft hier, doch ohne Werkzeug und Menschen war es gespenstisch still. Weiter und weiter schoben sie sich im Schein der Taschenlampen voran, leuchteten hierhin und dahin und dann hörten sie es. William hob die Hand, damit alle anhielten und legte den Finger an die Lippen.
"Hilfe!"

Die Stimme drang von weit entfernt und war mehr ein leises Wehklagen, keine wirkliche Aufforderung. Sie schwang immer in der gleichen Tonalität durch die fast stehende Luft, durch die sich die vier Crewmitglieder langsam bewegten, begleitet von dem sich immer wieder drehenden, roten Warnlichtern von der Decke. Scheinbar hatte es hier irgend einen Alarm gegeben, dessen Ton inzwischen verschwunden war, nicht jedoch die Beleuchtung für eben diesen. Ian hob kurz die Hand und machte mit einem Räuspern darauf aufmerksam, dass er irgendetwas sah, nur ein paar Meter neben sich entfernt. Als sich auch der Rest der Gruppe umdrehte, veränderte sich mit einem Mal die Position des Rufens. Plötzlich war es nah, beinahe erschreckend dicht, so als würde der, der ihnen dies immer wieder zurief nur zwei oder drei Schritt entfernt sein. Doch da war nichts, keine Gestalt, kein Monster, nur ein ... Schatten der immer wieder auf dem Boden hin und her tanzte, beinahe zu spielen schien. Der Verstand des Technikers brauchte verdächtig lange zu begreifen was er da sah, doch als er schließlich Begriff, riss er Pistole und Kopf im gleichen Moment nach oben. "Fuck", murmelte er und löste einen, dann zwei, drei, vier Schüsse auf Das sechsarmige Wesen, das dort über Ihnen hing und im Begriff war, direkt auf sie zu fallen.

Claire fluchte in ihren Raumanzug hinein und hob den großen Schraubenschlüssel, den ersten der sechs Arme fort schlagend ehe sie sich dazu entschied, dass es sinnvoller war, wenn sie die kleine Koreanerin zur Seite stieß - außerhalb der Reichweite von sechs Armen. Wenn einer von ihnen verletzt werden würde, dann würden sie ja doch jemanden brauchen, der sie wieder zusammensetzen musste. Sie brauchten andere Waffen, fiel ihr in dem Moment auf, als sie darüber nachdachte, dass William sie zuvor noch darauf aufmerksam gemacht hatte, wie wenig Munition sie eigentlich hatten.

Han-na schrie auf, als sie unsanft zur Seite gestoßen wurde und gegen die Wand krachte. Ihr Kopf pochte schmerzhaft von dem Zusammenstoß mit der Wand und sie blinzelte nur mühsam die Sterne vor ihren Augen fort. Sie hörte die Schüsse, spürte Claires und Ians aufwallende Panik und die seltsame Ruhe, die William ausstrahlte. Sie sah wie die sechs Arme - bewehrt mit knöchernen Klingen - auf die Freunde einhakten und wollte gerade aufsteheln um IRGENDETWAS zu tun, da spürte sie, wie etwas ihren Fuß erwischte. Sie schrie auf, sah nach unten zu der geleeartigen und pulsierenden Maße, einem Tentakel dem man die Haut abgezogen hatte nicht ungleich. Er schimmerte Lila im Schein der Lichter und sie schrie auf - in dem Moment zog der mit Krampfadern bedeckte Stumpf. Han-na knallte auf den Boden, ein langer Riss zog sich durch ihren Helm und mit einer unfassbaren geschwindigkeit zog sie das Wesen fort. Sie knallte noch gegen den Rand eines der Lüftungsschächte, sah dann nur noch, wie die Öffnung des Schachtes immer kleiner wurde. "HILFE!"

"Han-na!", fluchte William und setzte der Jüngeren nach, landete aber bäuchlings auf dem Boden und erwischte sie trotz ausgestreckter Hand nicht mehr. Er sah ihren verängstigen GEsichtsausdruck, hörte ihr Schreien und war schon wieder auf den Füßen, sich nach weiteren Wegen in die Schächte umsehend. Stattdessen fand er ein Terminal, halb versteckt und dreckig. "Claria, ich brauche ein Bild von den Schächten!", gab er ihr mit einem Wink zu verstehen, ehe er seinen Rucksack abstreifte und alles, was ihn breiter machte und daran hindern würde, in den Schächten manövrieren zu können.

"Da passt du nicht durch! Lass Ian ans Terminal und kümmern dich um die sechs Arme! Ich geh Han-na holen", fluchte Claire und hoffte darauf, dass der Techniker in ihrer Gruppe begriff, was hier zu tun war. Ian war derjenige, der mit Techniker besser umgehen konnte und sie vertraute dem Wahnsinnigen genug, dass er sie hier durchlotsen würde.

"Sie verbreitern sich", gab William nur zurück und sah Claire an. "Ich brauche dich hier draußen."

"Wir sollten uns erst einmal um das Viech hier kümmern", fluchte Ian lauthals, der nun nach seinem Bolzenschussgerät fingerte, da die Pistole mittlerweile leer war. Während er nach dem Werkzeug fischte, warfen ihn zwei der sechs Arme jedoch zur Seite und verpassten ihm einen tiefen Schnitt an der Wange. Sein Flug endete Abrupt, als er mit dem Magen gegen einen Stahlträger knallte. Übelkeit, gepaart mit starken Schmerz vermischten sich in ihm und ließen selbst die Intensität vergangener Erinnerung verblassen. Fahrig, beinahe so als wäre er betrunken, griff er erneut nach dem Bolzenschussgerät und musste schließlich beide Hände benutzen, im die Mündung einigermaßen in Richtung bringen zu können. Das er traf war - rein objektiv betrachtet - reines Glück. Doch das Glück sorgte dafür, dass der Bolzen quer durch den Torso des Wesens schoss und ein Loch in der Große einer Faust hinterließ.

"Ach fick dich doch! Geh schon, Cap!", schrie Claire William an und wandte sich wieder dem zuckenden Ding zu, das Ian da gerade an die Wand gepinnt hatte und dass sich noch nicht so recht dazu entschieden hatte auch wirklich sein Leben auszuhauchen. Wütend und mit allem Hass im Bauch, dass sie überhaupt in diese Situation hineingeraten waren, begann sie mit dem Schraubenschlüssel auf den Rest des Schädels einzuschlagen.