Kapitel 7

"Ist ja auch eine Büchertasche, mehr soll da gar nicht rein passen," erklärte Willem und legte den Kopf schräg ob Aris verwundertem Blick. "Und nein ich bin kein Archivar - ich bin in erster Linie Sohn. Das ist hier tatsächlich ein anerkannter Berufsstand. Ebenso wie Bruder von jemandem, Frau von jemandem oder sogar Neffe von jemandem zu sein. Die Stadt ist angereichert mit Leuten, die Jemand sind und bis zum Rand gefüllt mit Leuten, die Verwandte von Jemandem sind. Da sind wir Söhne noch die Angesehensten, denn auch wir werden irgendwann jemand sein..." er stieß ein tiefes Seufzen aus.
"Und das ist das schlimmste - ich würde so viel Lieber ein Archivar oder so was sein. Ich liebe Bücher und ihre Geschichten" er lächelte wehmütig.
"Aber lassen wir das - ich habe fantastische Geschichten von Kaladir gehört! Es heißt, dass dort ein ganzer Teil vom Erdboden verschluckt wurde, weil die Menschen kein Gottesfürchtiges Leben geführt haben."

„Nun“, entgegnete Ari und schätzte für einen Moment lang ab, wan an den Geschehnissen in Kaladir lieber unerwähnt bleiben sollte. „Um ehrlich zu sein lag es an den Templern. Es gab dort eine größere Auseinandersetzung mit einigen Bürgern“, hätte er die Bruderschaft erwähnt, so hätte ihn Willem sicherlich mit Fragen gelöchert. „Und meines Wissens nach wurde ein großer Teil der Kanalisation von ihnen geschwemmt um eben diesen jede Fluchtmöglichkeit nach der Konfrontation abzuschneiden. Was wiederum dazu geführt hat, das ein ganzer Bezirk in sich zusammen gefallen ist. Jeder der am nächsten Morgen die klaffenden Löcher gesehen hat, die bis zur Hälfte mit Wasser gefüllt waren, konnte sich dementsprechend schnell denken was passiert war.“

"Klingt auch wesentlich plausibler, auch wenn man das wohl nicht zu laut sagen sollte schätze ich..." erklärte Willem und und ein verträumter Ausdruck trat auf sein Gesicht. "Das muss ein erstaunliches Bild dargeboten haben..." dann jedoch wich ihm alle Farbe aus dem Gesicht. "Bei Gott! Gab es viele Verletzte? Wenn einfach ein ganzer Stadtteil unterspült wird... das will ich mir gar nicht ausmalen! Wie konnten die Templer nur so etwas zulassen?"

Er sah kurz über seine linke, dann über die rechte Schulter, wobei dies derart auffällig war, dass jedem recht schnell klar sein musste, dass es bei dieser Geste nicht darum ging wirklich zu überprüfen ob Templer in der Nähe waren, sondern das diese auf seine nun folgende Aussage nicht gut zu sprechen sein würden. „Die Templer sind in bestimmten Belangen recht radikal. Zumindest in Kaladir. Ich weiß nicht wie es in anderen Teilen des Landes aussieht. Aber von dem was man so hört, scheint es kein regionales Problem zu sein sondern eines, dass ganz Licentia betrifft.“ Er wollte bereits weiter darüber sprechen und auf die Templer Schimpf und Schande schwören. Dem anderen sagen was für verlogene Hurenböcke sie waren, doch er unterband es bevor auch nur ein Wort seine Lippen verlassen konnte. Würde Willem es den falschen Leuten erzählen, so würde Ari, egal ob man ihn erkannte oder nicht, in Schwierigkeiten stecken. „Und was macht man so als Sohn? Es klingt reichlich öde wenn du mich fragst. Nicht das Adlige mir fremd wären, es mag in Kaladir nicht so viele große Geschlechter geben, aber das Kinder großer Familien wenig Sorgen im Leben haben, war mir schon vorher klar.“ Die Worten klangen, wie er wenige Herzschläge danach feststellte, ein wenig übertrieben harsch, sodass er, ein wenig freundlicher hinzufügte, „ich meine damit nur, dass du doch sicherlich neben dem Dasein als Sohn irgendeiner Tätigkeit oder Profession nachgehst. Künstler zum Beispiel. Soweit ich weiß ist das bei Kindern alter Adelsfamilien recht beliebt.“

"Ich studiere Geschichte," erklärte er und zuckte mit den Schultern. "Eigentlich wollte ich selbst Gedichte und Prosa schreiben aber mein Vater war dagegen. Er meinte, wenn ich mich schon mit alten Büchern auseinander setze, dann soll ich wenigstens etwas lehrreiches tun. So haben wir also den Kompromiss geschlossen - ich lerne die Geschichte dieses Landes und darf mich dafür mit Büchern beschäftigen. Etwas, was meinen älteren Bruder mehr als einmal dazu gebracht hat über mich zu spotten..." er schüttelte den Kopf. "Aber was solls - kommen wir zurück zu Kaladir das klingt nämlich tausend mal spannender als mein langweiliges Leben - ich habe gehört was da im Zirkel passiert ist. Könntest du mir davon erzählen? Bitte! Mehr als nur die Variante, die man von den Templern hört! Wir suchen uns einen kühlen Platz in einem der Esszimmer und ich lasse uns einen guten Wein bringen!"

Hatte er schon einmal Wein getrunken? Er konnte diese Frage im ersten Moment nicht sicher beantworten. Doch, natürlich. Ein einziges Mal. Zusammen mit Maia in einer leicht versteckt liegenden Bucht. Erneut zog sich sein Magen zusammen und für Willem musste Ari in diesem Moment vermutlich unglaublich unaufmerksam wirken. „Mh?“ Machte dieser schließlich und versuchte aus seinem Unterbewusstsein, welches dem Älteren nach wie vor gelauscht hatte, zumindest die wichtigsten Worte zu ziehen. „Ja, ich meine ich kann dir gern ein wenig mehr darüber erzählen aber glaub mir, dass ist nichts was sonderlich unterhaltsam ist. Größtenteils grausam. Eigentlich nur grausam. Aber die Einladung zum Wein nehme ich trotzdem gern an.“

"Umso wichtiger das ich davon erfahre - für die Nachwelt. Und einen guten Wein," erklärte Willem und klopfte Ari dann auf die Schulter. "Na dann komm, wir sollten uns auf den Weg machen wenn wir noch irgend ein gutes Zimmer haben wollen! Glaub mir, sobald die Sonne ihren Zenit erreicht und es hier richtig heiß wird schlagen sich die Adligen beinahe um eine kühle Platz in der Burg. Was sich lustig anhört ist unerträglich wenn man zu den verlierern gehört. Rot- oder Weißwein?"