Thorwal, Boron 1017

"Bitte ... was?!" Musste das auch noch sein? Hrangarverdammte Scheiße noch mal! Fluchend wie nur echte Thorwaler es konnten folgte Svea dem Mann ohne viel nachzufragen, ihre Schritte, vorhin noch müde und langsam, waren jetzt eilig. "Wo?"

Der Bäcker trieb sie an und führte sie zum großen Hafenbecken, wo einige der großen Ottas an Land gezogen waren, um dort Ausbesserungen zu erfahren. Ausbesserungen, die nun nicht mehr nötig sein würden. Ein Großteil der schönen Drachenboote war zerstört, Segel hingen wie zerfetzte Leichentücher in der Luft, stolze Drachenköpfe waren abgeschlagen worden und einige Schilde wiesen tiefe Scharten auf. In der Mitte all diesen Chaos stand ein muskelbepackter, rothaariger Hüne, der alle Thorwaler, die zu dem Schauplatz des Unglücks geeilt waren mit einem großen Andergaster Zweihänder auf Abstand hielt. "War doch die Bucht rot vor, Blut// all' der erschlagenen Feinde und Freunde, // schäumend die Wellen vor göttlicher Wut // über dies unsägliche Ende!" brüllte er, schwang noch einmal den großen Bihänder und köpfte damit ein weiteres Drachenboot.

Mist, Mist, Mist! Svea arbeitete sich durch den Kreis an Menschen, die schimpfend oder entgeistert hier standen und kam dem Hünen näher. "Bei Swafnir", murmelte sie noch, als sie den letzten Hieb sah, den er ausführte. Wenn sie so einer traf, wäre sie Geschichte und sie hätte es noch nicht mal auf eine Saga-Stein geschafft. Nicht, dass ihr das wichtig gewesen wäre ...
"Hey!", rief sie deshalb in sicherem Abstand und hob beide Hände, damit er sehen konnte, dass sie die Waffe noch nicht gezogen hatte.

Der Mann hielt nicht inne in seinem Tun, zerschmetterte mit einem weiteren Hieb die Seitenwand des nächsten Bootes mit einem solch kräftigen Hieb, dass das Boot einen Ruck nach hinten machte, von einer Welle ergriffen wurde und volllief. Er wandte sich in einer großen Drehung um, köpfte beinahe einen der Thorwaler, der ebenfalls einen Schritt nach vorne gemacht hatte und versetzte ihm nur einen blutigen Striemen über dem Brustkorb. "Hey da! Oh schwanzlose Walfrau. Ohne Fluke und ohne Glauben. Nichts mehr als kreucherisches Geschmeiss, weder Swafnir noch H'Rannga würdig!" Er ließ ein lautes Brüllen vernehmen.
"Alls da war die blut'ge Scharr // Nimmer ward ein blut'ger Morgen! // Nimmer // Nimmer // Nimmermehr!"

"Was bei all den Göttern ...", murmelte Svea in sich hinein. War es ein Walwütiger, der ihr nicht bekannt war? Sie begann, eine Besänftigung zu sprechen, ohne zu wissen, ob es funktionieren würde oder nicht.

Der Mann schnaubte, tob und schrie und schwang weiter den großen Andergaster. Svea rief Swafnir an, beschwor ihn hier zu helfen. EInzugreifen und die von ihm gegebene Wut und Kraft zu zügeln, um sie in andere Bahnen leiten zu können. Doch nichts half. Der Mann schnaubte, schrie und ein weiteres Boot fiel unter seinen beinahe manischen Hieben.

Das musste ein Ende finden - hier und jetzt. "Was bei Hrangar ist in dich gefahren, du Brotkrümel mit Karottengarnitur?!", fauchte sie und zog ihre Axt. Besser vielleicht, wenn sie es heraus ließ, was in ihr nagte.

Der Riese wandte sich wild brüllend um und lief mit einigen schnellen und großen Schritten auf Svea zu. Mit einem direkten Tritt in die Magengegend beförderte er sie über eines der Langschiffe hinweg, ehe sie mit einem lauten Spratzen auf dem feuchten Sand aufschlug.

Die Luft wurde ihr aus den Lungen getrieben, ihr Magen hätte jeden Krümel an Essen zurück nach oben gesandt, wenn sie in den letzten Stunden etwas gegessen hätte, so würgte sie nur halb übergebeugt trocken in den Sand, die Haare wie eine Kaskade vor ihrem Gesicht hängend. Das würde er kein zweites Mal tun, beschwor sie sich und zwang sich von ihren Ellenbogen auf die Hände, dann auf die Knie und zurück in einen geraden Stand. "Was willst du?", fragte sie keuchend und griff ihre Axt fester.

Der Mann brüllte. "War doch die Bucht rot vor, Blut// all' der erschlagenen Feinde und Freunde, // schäumend die Wellen vor göttlicher Wut // über dies unsägliche Ende!", rezitierte er erneut und mit einigen gewaltigen Schritten erreichte er Svea, schwang sein Schwert und ein Sirren zischte an Sveas Ohr vorbei. Der Mann schwankte, als Blut aus seiner Stirn schoss, ehe er nach hinten umfiel. Mit einer Axt, die ihm im Schädel steckte. "Verflucht noch eins, sind denn hier alle verrückt geworden? Bei Swafnir!" knirschte Phileasson und ging hinüber zu dem Riesen, zog seine Axt aus dem Schädel des Anderen. "Hat wohl niemand für nötig befunden Svea zu helfen, was?"

"Wann ... kam der Kerl hier - an?", wollte Svea von den Umstehenden wissen, als sie die Axt langsam sinken ließ, die andere Hand unbewusst auf ihre Magengegend gelegt.

"Heute Morgen," erwiderte Phileasson grimmig und wischte sich das Blut von der Axt an seiner Hose ab. "Heißt wohl Aingolf Torrensson oder so ähnlich. Bevor du angekommen bist stieß er üble Drohungen aus. Sagte, dass Thorwal dem Untergang geweiht sei, wenn wir nicht von unserem Tun abließen und dergleichen..." er spie aus. "H'Rannga Verflucht!"

"Und bisher - bisher hat er sich benommen?", hakte Svea nach und sah stirnrunzelnd auf den Mann hinab, der sie mit solcher Leichtigkeit durch die Gegend geschleudert hatte.

"Kann ich nich' behaupten," erwiderte Phileasson kopfschüttelnd und blickte über das Meer hinaus, während seine Kiefermuskeln mahlten. "Was geht hier aktuell nur vor sich Svea?" knurrte er und schloss für einen Augenblick die müden Lider. "Alles scheint sich aktuell gegen uns zu verschwören!"

"Ich weiß es nicht", erwiderte sie leise und nur für ihn hörbar, bevor sie sich an die Leute wandte, sicherer, als sie sich auf ihren Füßen gerade fühlte. "Geht nach Hause, Leute. Es gibt hier nichts mehr zu sehen. Ilfgrun, berichte Tronde von dem, was passiert ist, sei so gut. Er kann entscheiden, wie die Otta wieder in Stand gesetzt wird. Und ihr beide dort! Nehmt den Leichnam des Mannes mit! Nein, wirklich - geht. Es ist spät!" Sie wartete ab, bis die ersten sich umwandten, Ilfgrun verschwand, eine kleine Meute folgte ihr. Murrend, schimpfend und verängstigt machte sich auch der Rest auf und der Leichnam wurde fortgezogen. Eine blutige Spur malte sich in den Sand.
Svea ließ die Schultern sinken. "Ich weiß es nicht, Asleif."

"Ich werde hier für Ordnung sorgen," erwiderte Phileason leise, während er langsam auf eines der Schiff zuging, und es langsam und mühsam wieder an Land zog, dabei tiefe Spuren im Sand hinterließ. "Werde die Ottas vorbereiten und unsere Krieger antreiben. Frauen und Kinder beschützen, neue Schiffe bauen lassen..." er wandte sich an Svea. "Und du ziehst mit deinen neuen Freunden aus und findest den Drecksack, der für all das verantwortlich ist, das wohl!"

"Erst helfe ich dir hierbei", erwiderte die Jüngere schlicht und trat näher hin zu den Planken, aber dann blieb sie unverrichteter Dinge stehen und besah sich das gänzliche Chaos. Es schockierte sie, diese Zerstörungswut zu sehen und zu ihren Füßen lag der Drachenkopf, das Prunkstück des Schiffes. "Und glaube mir, ich finde ihn, koste es, komme, was da wolle."

Phileasson nickte nur grimmig und begann ebenfalls an den Planken zu ziehen, einzelne Schilde, die am Ufer auf dem flachen Wasser schwammen wieder einzusammeln und nach und nach für so etwas wie Ordnung zu sorgen. Seine Arme schmerzten, sein Rücken protestierte, wann immer er einen weiteren großen Querbalken wieder an Land schleppte und mit Hilfe des Holzes die fehlenden Teile mit den passenden Schiffen verband.
Das Schild des Praios funkelte mittlerweile orangen und dicht am Horizont, als sie beide endlich den Großteil des Chaos beseitigt hatten.
Der Seefahrer ließ sich auf einen befestigten Teil der Hafenmauer sinken und wischte sich den Schweiß von der Stirn, der trotz der kühlen Luft darauf getreten war. "Etwas endet Svea..." meinte er leise und spuckte aus. "Ich habs damals schon auf meiner Fahrt gespürt. Der WInd schmeckte anders, hatte sich gedreht und Veränderung heran getragen. Aber nun ist sie da. Auch wenn ich sie noch nicht so ganz greifen kann."

Erschöpft ließ Svea sich neben ihn sinken, starrte eine Weile still vor sich hin. "Etwas hat begonnen", berichtigte sie ihn. "Wir müssen nur zusehen, dass wir daraus nicht nur Chaos und Trauer entstehen lassen, denn danach sieht es im Moment aus."

"Ein Beginn also?" Phileasson schüttelte den Kopf. "Wenn etwas beginnt muss was anderes Enden. So ist das einfach. Ist der Lauf der Welt, etwas hat begonnen, das wohl! Die Frage ist doch nur was und zu welchem Zweck!" er schüttelte den Kopf und entkorkte eine kleine Kürbisflasche, die er um die Hüfte trug.
"Ist mir zu hoch ehrlich gesagt. Aber ich glaub ich kann die Elfen langsam verstehen..." er warf einen Blick zu den Drachenbooten. "Aber wir können aus ihren Fehlern lernen. Müssen uns wehren, statt es hinzunehmen."

"Ich soll dich von Fenvarien grüßen. Und von Ohm."

Nun machte Phileasson große Augen. Ohm Folker gut und schön, dass Svea ihn in Olport getroffen haben mochte, konnte schon angehen. Aber Fenvarien? "Der König der Elfen war in Olport? Ich dachte er sei mit den Wüstenelfen zurück auf die Inseln im Nebel?"

"Nein - also ja. Das ist er. Wir waren dort, auf den Inseln."

"Unmöglich..." schüttelte Phileasson den Kopf, betrachtete Svea dann noch mal. Sie durfte nicht lügen. Was bedeutete, dass sie die Wahrheit gesagt haben musste. Er nahm einen weiteren, großen Schluck aus der Flasche und schüttelte sich. "Bei Swafnirs Fluke. Wie?"

"Wir sind mit einem Maler durch ein Bild dorthin gekommen. Ein Portal, wenn man so will. Und eigentlich war der Maler selbst dort schon mit Calenleya, weil sie angegriffen wurden. Es war alles etwas durcheinander und chaotisch. Wir waren ein paar Wochen dort, bis wir schließlich in den Palast kamen."