Thorwal, Boron 1017

"Ein Gemälde?" echote Phileasson ungläubig und beugte sich ein Stück weit nach vorne. "Wie bei allen Seeschlangen seid ihr durch ein Gemäl... nein, sag es nicht. Ich glaube ich möchte es nicht wissen. Meine eigene Reise zu den Nebelinseln kann im besten aller Fälle als Abenteuerlich beschrieben werden!" er nahm einen weiteren großen Schluck, ehe er auch Svea den Tropfen anbot.

"Dachte schon, du fragst gar nicht mehr", gab Svea zurück und nahm den Alkohol, ehe sie ein paar tiefe Züge davon trank. "Und ich kenne deine Reise, du wirst nicht müde, sie zu erzählen." Sie klang nicht halb so genervt, wie andere in dieser Situation geklungen hätten. Eher belustigt. "Dort kämpft immer noch Beorn gegen die Elfen."

"Die lebendingen Sagen?" hakte Phileason nach und seine Miene verdüsterte sich.

"Ja. Hätte uns fast das Leben gekostet."

"Mag ich gerne glauben," knurrte der König der Meere. "Er hat damals böse Verwüstung angerichtet und wenngleich der verdammte Schuft auch am Ende wohl mein Leben gerettet hat..." er brach ab und schüttelte den Kopf. "Lass uns nicht über diese alte Kamelle reden. Wie sehen deine nächsten Schritte aus?"

"Mich waschen, einen Kübel Alkohol über meinen Rücken schütten, schlafen, essen und meine Waffe schärfen lassen und dann werde ich mit den magischen Steinen zurück zu den anderen reisen. In genau dieser Reihenfolge. Es gab einen Hinweis auf ein ähnliches Verbrechen wie das hier in Ruthor."

Phileasson hob eine Hand um Sveas Redeschwall einzudämmen und auf ein Spezifikum einzugehen. "Warum denn den guten Alkohol über deinen Rücken?"

"Wir können drüber reden, dass ich die Hälfte trinke", lenkte Svea ein, bevor sie sich zur Seite wandte und ihre Tunika nach oben schob, bis man die unzähligen Linien erkennen konnte, die Bridgera dort auf ewig in ihrer Haut hinterlassen hatte.

"Bei Swafnirs Fluke!" Phileasson stieß einen Pfiff zwischen den Zähnen aus. "Das ist... wunderschön..." er fuhr langsam über die Linien, spürte die Wärme der Haut, die noch versuchte gegen den Fremdkörper anzukämpfen. "Ein wahres Meisterwerk Svea. Ich erkenne Alt-Thorwalsche Runen..."

"Sag mir, was dort drauf ist, ich habe es nämlich nicht gesehen", bat sie und schielte über den Haufen Stoff, den sie in ihrem Nacken zusammengeballt hatte, zu ihm hin, während sie mit einer Hand die Tunika vorne an Ort und Stelle hielt. "Bridgera selbst hat es gestochen."

"Mein Saga-Thorwalsch und Kenntnisse der Runenkunde sind leider nicht so ausgeprägt wie sie sein sollten und Ohm Folker wüsste bestimmt mehr dazu als ich aber..." er fuhr die Außenlinien nach. "Das hier sind die Runen für Mut und Opferbereitschaft. Das hier ist eine Gemeinschaftsrune... eine Rune der Stärke...." er nickte und legte den Kopf schief. "All diese Runen laufen an den Außenlinien zusammen und bilden einen großen Wal!"

"Es fühlt sich auch ein wenig so an, als hätte sich einer einfach darauf fallen lassen", murmelte Svea, dann versuchte sie sich bildlich vorzustellen, wie es wohl zusammen aussehen mochte. "Aber erklärt sich jetzt der Alkohol? Meine Reise ist lang und ich kann mir nicht leisten, wegen eines wunden Rückens Zeit zu verlieren."

"Ai," erwiderte Phileasson und schob dann das Hemd wieder ein Stück runter, achtete dabei jedoch darauf, dass der Stoff nicht direkt an die wunde Haut kam. "Aber was deine Waffe angeht..." er warf einen Blick auf Sveas Axt. Der mit Leder umwickelte Griff wirkte nicht nur abgegriffen - die Angriffe durch Dämonen, die zu schnell vergehende Zeit in Dragenfeld und noch allerlei Unbill mehr hatten Holz, Leder und Metall schwer zugesetzt. Tiefe Scharten zogen sich durch den Klingenblock und wenngleich die Waffe auch noch einen restlichen Funken Magie durch die Ereignisse auf Arras de Mott haben mochte, sie war in einem furchtbaren Zustand.

"Ach sag es gar nicht erst, ich weiß ja, wie sie aussieht ...", seufzte Svea, als sie seinem Blick folgte und die Finger über das Metall wandern ließ. "Aber ich hänge an ihr."

"Mehr als an deinem Leben?" hakte Phileasson nach und hob die Augenbrauen. Er wollte ihr keine Vorwürfe machen, aber wenn im falschen Moment der Griff abbrach....

"Nein, natürlich nicht. Aber das ist die Axt, die ich nach meiner Weihe von der Kirche bekam und sie hat mir treue Dienste geleistet." Etwas unsicher sah sie zu Asleif auf. "Kein gutes Argument?"

"Normalerweise schon," erwiderte Phileasson wog den Kopf hin und her. "Du benötigst eine neue Axt Svea..." versuchte er ihr leise zu erklären und legte ihr sanft, aber mit Nachdruck eine Hand auf den Arm.
"Aber vielleicht kann ich etwas dagegen tun..."

"Gegen die neue Axt? Oder gegen den Zustand der alten?", fragte Svea schief lächelnd und schloss für eine Weile die Augen. Nicht die Axt machte ihr Gedanken, aber hier im Hafen vor den Trümmern einer Otta zu sitzen machte es nicht leicht. Überhaupt hier zu sein - es war beinahe Folter. "Schon gut, ich brauche alles, was nur geht, ich kann nicht wählerisch sein und wenn ich dafür vom Alten lassen muss, dann ist es so."

Phileasson lächelte schief. "Eher gegen den Zustand der alten..." er stand auf, klopfte sich den Sand von der Hose und streckte Svea eine Hand entgegen. "Komm mit," befahl er ihr lächelnd.
"Ich glaube ich habe was für dich!"

Das Ächzen musste sie nicht einmal spielen, als sie sich aufraffte und ihm nachfolgte, keine Ahnung habend, was er nun plante, aber wenn sie eines wusste, dann, dass Asleif "Foggwulf" Phileasson immer für eine Überraschung gut war.

Phileasson führte Svea aus Thorwal, vorbei an den Dünen und hohen Gräsern, weiter Richtung einer großen Höhle in Nähe der Klippen. "Kannst du mit dem Rücken schwimmen?" fragte er leise und deutete auf die immer größer werdenden Wellen.

"Ich bin damit direkt im Anschluss aus einer Höhle im Meer zurück nach Olport geschwommen. Unterschätz mich nicht", erwiderte sie und schaffte es irgendwie, sich zu einem Augenzwinkern durchzuringen, bevor sie tief Luft holte und sich innerlich wappnete, so überzeugt war sie nämlich noch nicht, dass es nicht immerhin brennen würde wie die Hölle.

"Ich wünsche dir Glück," erwiderte Phileasson, zog seine Stiefel aus und sprang ins Meer. Das Wasser schlug über ihnen zusammen, drängte sie mehrfach an eine Steinwand, ehe es ihnen beiden gelang sich in eine kleine Höhlenspalte zu ziehen.

Ihre Stiefel waren ohnehin schon nass, also zuckte Svea nur die Schultern und folgte dem Freund - wohin auch immer er wollte. Prustend tauchte sie hinter ihm auf und runzelte die Stirn. "Und jetzt ...?"

Er zog sich in die kleine, halb überdachte Höhle, deren Inneres durch die Stürme im Sturmmond bereits vollkommen nass waren. "Nach meinen Reisen habe ich hier einige gelagert, dass ich nicht jedem auf die Nase binden wollte," erklärte er und trat zu einer Truhe im hinteren Teil der Höhle hin. Er kniete sich vor diese und ließ die Schnallen aufschnappen. Er wühlte eine Zeitlang durch das Innere, ehe er eine schwere Axt herauszog. Sie besaß ein spitzes Ende, eine etwas breitere Schneide und einen Griff aus Schlangenleder. "Das hier gehörte einst Eigor", erklärte er leise und wog die Axt in der Hand.