Zwischen Almada und Elenvina - Travia, 1017

Zajido, Svea, Rena, Raidri, Ediona und Frodi waren seit etwa einem Tag unterwegs. Man hatte sich am vorigen Morgen von Alrik verabschiedet, der wieder gen Firun Richtung Reichsend geritten war. Die kleine Truppe war mit Proviant und Weggeld versorgt worden und hatte sich nunmehr bis nach Dâl durchgeschlagen. Sie passierten das Nordufer des Yaquir. Die Straße unter ihnen war weiß gepflastert und erstaunlicherweise vor sämtlichen Unrat befreit. "Das ist die Reichsstraße 4," erklärte Raidri, während sie den langen Weg entlang marschierten. "Auch als Yaquirstieg bezeichnet," er deutete auf das große Gebäude, dass sich über der Stadt erhob. "Burg Dâlblick," erklärte er und schob den Rucksack auf seinem Rücken hin und her.

Zajido hatte sich, nachdem sie nun eine derart harte Straße unter sich hatten, dazu entschieden die Schuhe schlichtweg auszuziehen, diese zusammenzubinden, über die Schulter zu werfen und stattdessen im Gras neben den Kameraden herzulaufen. Es erinnerte ihn an seine Zeit in Maraskan, in der er so gut wie nie Schuhe getragen hatte. Ein Umstand der ihn schnell gelehrt hatte, selbst Gift aus seinen Wunden zu saugen, denn allein im zarten Alter von dreizehn Jahren hatte er bereits auf zehn Schlangenbisse und vier Spinnenbisse zurückblicken können. "Denkt ihr Cuanu wird uns unterstützen? Ich meine auch Prinz ... König Brin hat unsere Sorge zwar zur Kenntnis genommen, aber darüber hinaus ebenfalls nicht viel tun können."

Raidri zog die Brauen ärgerlich zusammen. "König Cuanu ui Bennain ist mein Lehnsherr und seine Integrität und sein Wille dem Bösen gegenüber zu treten ist ohne jede Frage! Er hat sich auf die Suche nach der Dämonenzitadelle in das Eherne Schwert begeben! Er hat gegen Answin und die Orken gekämpft und er wird nicht davor zurückschrecken auch dieser neuen Bedrohung ins Auge zu blicken!" erwiderte der Schwertkönig. "Er ist eine der edelsten Männer die ich jemals kennen lernen durfte. Eine Ausgeburt an Ritterlichkeit und Loyalität!"

"Daran hat auch niemand gezweifelt", lenkte Zajido überrascht ein und schulterte das Schwert, dass beinahe so lang war wie er, erneut. "Ebenso wie König Brin stelle ich ihn mir als einen Mann voller Ehre vor. Aber wie wir leider erfahren mussten ist der Wille eines Herrscher zu helfen manchmal nicht genug, so haben andere Verpflichtungen und Angelegenheiten, auf die sie ihren Blick lenken müssen. Also sei nicht zornig Bruderschwester."

"Er wird nicht mit uns ziehen, wenn du das meinst!" erwiderte Raidri. "Aber er wird seine Männer bereit machen. Er wird Vorräte horten, seine Mannen ausbilden. Aber wir wissen doch selbst nicht wo Borbarad ist. Geschweige denn was er vor hat. Wir haben selbst kaum Informationen um vorn zu schreiten. Wir können von unseren Herrschern nicht verlangen, dass sie mehr tun als wir und dabei noch weniger wissen."

"Ganz ruhig Bruderschwester", setzte Zajido erneut an und beschloss dann, dass Thema erst einmal ruhen zu lassen, da Raidri am heutigen Tage einem Vulkan glich. Einem recht kleinen Vulkan zugegeben, aber der Ärger hatte sein Gesicht bereits ein wenig rot werden lassen. "Soll ich nachher versuchen ein paar Fische zu fangen? Ich glaube nicht weit von uns entfernt ist ein kleiner Flusslauf in dem sich Fische gut fangen lassen."

"Das klingt nach einer hervorragenden Idee!" erwiderte Raidri, dem mittlerweile schon der Magen knurrte. Dann warf er einen Blick zu Svea. "Willst du ihm helfen? Frodi und ich können dann ein Lager bereiten, so wir nicht in einem Gasthaus absteigen wollen!" erklärte er der Thorwalerin.

Helfen? Fischen? Svea verzog kurz den Mund, dann sah sie Frodi prüfend an und seufzte tief. "Na gut", stimmte sie zu und setzte sich ein bisschen von der Gruppe ab, um zu Zajido aufzuschließen.

"Na dann", nickte Zajido aufmuntern und nachdem sie kurz darauf nahe der Straße einen geeigneten Fleck für ein Nachtlager gefunden hatten, schlug sich Zajido zusammen mit Svea durch den nahegelegenen Wald, in welchem sie nach gut hundert Schritten einen Bachlauf fanden. Er war nicht sonderlich tief, ging Zajido nur bis zu den Knien, schien jedoch gut gefüllt mit Fischen zu sein, denn die schimmernden Schuppen warfen ein wahres Lichtspiel auf das Blätterdach über ihnen.

"Zajido, ich bin nicht wirklich gut im Angeln", wagte Svea schließlich zuzugeben und sah den Maraskaner an. "Aber ich kann die Gesellschaft dabei leisten, während du ... - hast du überhaupt eine Angel?"

Raidri war indes dabei Hölzer für ein Lagerfeuer zusammen zu suchen und warf einen Blick zurück, dort wo in einigen Meilen Entfernung die rauchenden Schlote des Stadt Dâl zu sehen waren. "Wieso bei allen Göttern konnten wir nicht wie ganz normale Menschen in einer Herberge absteigen..." brummte Raidri, während Ediona in der Nähe schon nach einem guten Platz suchte, wo ihr Keil auch nur irgendeine Wirkung haben mochte. "Rena, hilfst du mir hier mal? Ich glaube ich habe ein paar Wurzeln gefunden, mit denen man die Fische würzen kann!"

"Nein", antwortete er und legte das lange Schwert sacht neben sich ins Gras. "Aber die habe ich bisher auch nie gebraucht. Normalerweise macht man so etwas ja mit Speeren, aber ich gebe zu das ich damit nie wirklich umgehen konnte. Vielleicht versucht du es währenddessen damit?" Er krempelte die Hose ein wenig nach oben und stellte sich dann mit beiden Beinen in das Wasser, kreiste mit den Handflächen über die Wasseroberfläche und wartete auf den passenden Moment. "Hast du das als Kind nie gemacht?"

"Und weshalb sind wir nochmal nicht in das nächste Dorf gereist?", hakte Rena nach, nachdem sie sich von Nosulgors Rücken hatte sinken lassen und wieder mit den Füßen im Gras aufkam. Sie waren auf der Reichsstraße und sie hörte noch immer Ungolfs Worte in ihrem Kopf, man erwarte Großes von ihr und nun saß sie kaum eine Woche später wieder mitten in der Wildnis und wusste nicht so recht, ob ihr das hier jetzt gefallen sollte oder nicht. "Du ... weißt aber schon, dass ich absolut keine Ahnung davon habe, wie man kocht?", fragte sie schließlich an Raidri gewandt als sie neben ihn trat und skeptisch auf die Wurzeln blickte, die der andere in den Händen hielt und von denen ein seltsamer Geruch ausging, den sie nicht genauer zuordnen konnte, der sie aber das Gesicht verziehen ließ. "Sicher, dass man das essen kann ...?"

"Fische mit der Hand gefangen?", echote Svea völlig konsterniert und tat es ihm gleich, ihre Hosenbeine hinauf zu krempeln und in das kühle Nass zu treten. "Nein. Mit Netzen oder Angeln ja, vielleicht kann man sie auch mal mit dem Schild bewusstlos schlagen, aber doch nicht mit den Händen fangen." Schließlich waren Fische glitschig, wendig und schnell und sie war ihr Lebtag lang unglaublich selten zum Fischfang eingeteilt worden. Da hätte sie schon eher in einem Garten arbeiten können, obwohl das Meer eher ihre Heimat war. Wahrscheinlich hatte ihre Familie nur gemerkt, wie gering die Ausbeute war, wenn sie ihre Tochter losschickten und es dann seufzend gelassen.

"Ich habe Jahre meines Lebens am Wegesrand gelebt. Habe ich dir mal die Geschichte erzählt, als ich als junger Mann in der Nähe des Neunaugensees nach dem Monster gesucht und mehrere Wochen dort auf Wanderschaft verbracht habe?" hakte er nach, winkte dann jedoch ab. "Jedenfalls bin ich mir absolut sicher, dass man die kochen kann und was das Kochen selbst angeht, du hast doch ein Kochbuch, oder nicht? Ediona hat da sowas verlauten lassen!" er deutete hinüber zu dem Pferd. In dem Moment preschte ein anderes Pferd an ihnen vorbei, flog beinahe über die Reichsstraße und zog eine lange Staubspur hinter sich her. Noch nachdem er fort war sickerte der Schaum, den der Gaul um das Maul gehabt hatte in den Untergrund. "Was zum?" Raidri blickte dem Mann nach und schüttelte den Kopf. "Früher sind die nicht so gerast."

"Du kannst gern dein Schild nehmen", antwortete Zajido, den Blick starr auf die Wasseroberfläche gerichtet, während Jujin still daneben saß und seinen Herren interessiert musterte. "Der Trick dabei ist nicht zu lange nachzudenken. Viele meinen man muss dorthin greifen wo der Fisch sein könnte, da man als Mensch gar nicht die Schnelligkeit aufbringen kann um ihn im Wasser greifen zu können. Aber wenn du mich fragst ist das alles falsch. Du greifst einfach zu, folgst deinem Gefühl." Wie zur Bestätigung schoss Zajidos Hand ins Wasser und förderte drei Wimpernschläge danach einen zappelnden Fisch aus dem Wasser.

"Liscom von Fasar", antwortete Rena und zuckte auf Raidri Blick schlichtweg mit den Schultern. "Frag doch nicht, wenn du die Antwort nicht hören willst", setzte sie nach und verzog dann missmutig das Gesicht, als sie die Hände nach den widerlich stinkenden Wurzeln griff und sich das Würgen nur mit Mühe verkniff. "Na dann ... was mach ich mit den Dingern jetzt ...?"

Perplex blinzelte Svea und sah dann unter sich, sah die Fische, die um sie herum zappelten und beugte sich langsam nach vorne. Statt aber zugreifen zu können, schwammen die kleinen Mistkäfer einfach davon, aus ihrer Reichweite. "Wie? Erklär mir das nochmal", bat sie und runzelte die Stirn. Sie verstand schon das grobe Prinzip, aber das hieß noch lange nichts.

"Erst einmal schälen wir die Knolle," erwiderte Raidri, als wäre das absolut klar und betrachtete Renas missmutiges Gesicht. Das Stadtkind stellte sich aber auch an. "Danach schneiden wir sie in Stücke und braten sie zusammen mit dem Fisch an. Das gibt einen nussigen Geschmack!"
Das 'Glaube ich' ließ er aus, er war sich ziemlich sicher und hoffte darauf, dass Zajido genug Fische fing, falls er sich unerwarteter Weise doch irren sollte.

"Das ist es ja, es gibt nicht viel zu erklären Bruderschwester", murmelte er nach vorn gebeugt, ehe er kurz darauf den zweiten Fisch aus dem Wasser zog. "Du darfst nicht nachdenken, du musst einfach handeln. Lass deine Hände die Wasseroberfläche kitzeln als wärst du ein Regentropfen. Die Fische werden denken dass sich durch ein mögliches Unwetter die Insekten wesentlich weiter unten bewegen, vielleicht sogar direkt auf dem Wasser. Dann, wenn du die Aufmerksamkeit eines Fisches hast, greif zu."

Schälen. Schälen würde gehen, denn das würde zumindest grobe Arbeit mit schmalen Messern bedeuten und das war Etwas, das sie konnte. Langsam nahm sie von Raidri noch eine Wurzel an und wog diese in der Hand, drehte sie von einer Seite zur nächsten bevor sie sich kurzerhand wieder in den Staub sinken ließ. "Na dann", gab sie sich schließlich den Anweisungen geschlagen und zog dann einen der kleinen Dolche hervor, um mit der Arbeit zu beginnen.

"Gut", murmelte die Thorwalerin und ließ sich langsam wieder etwas tiefer sinken, begann, mit den Fingern über die Wasseroberfläche zu prasseln und tatsächlich kamen sie zurück, tauchten sogar kurz auf. Aber Svea war zu ungeschickt und das Fischchen, das sie hatte greifen wollen, flutschte einfach wieder zurück. "Ach verdammt noch mal!"

Raidri betrachtete Rena dabei, wie sie die Knolle schälte, während er ein Lagerfeuer aufschichtete und lächelte sacht. "Alles in Ordnung Rena? Du wirkst nicht sehr glücklich."

Nur kurz warf sie einen Blick hinauf zu dem Älteren und verzog schließlich das Gesicht. "Ich habe mich von meinem Mann verabschiedet und weiß nicht, wann ich ihn wieder sehen werde und diese Knollen stinken bestialisch, Raidri. Wir sind mitten im Nirgendwo und mit hängt dieses Aufeinandertreffen mit der Familie noch in den Knochen, aber abgesehen davon ist alles gut", antwortete sie und wank ab, weil ihr selbst auffiel, wie furchtbar das gerade klang.
"Entschuldige. Ich bin nur ein wenig dünnhäutig."

"Beinahe", kommentierte Zajido den Vorgang mit einem Schmunzeln. Sie standen dort eine Weile, blickten weiterhin in das klare Wasser, dessen Plätschern nur dann und wann von dem Stoßen der Hand durch die Wasseroberfläche unterbrochen wurde.