Kapitel 1

Willem brütete bereits eine ganze Weile über den Dokumente, die mit jeder weiteren Sekunde weniger Sinn zu machen schienen. Er schüttelte den Kopf, legte die DOkumente bei Seite und nahm einen Schluck Wasser aus einer nahe stehenden Karaffe. Er griff erneut nach den Dokumenten, schien es sich dann aber doch zu überlegen und schlug sie wieder zu. Dann erst wandte er sich halb nach hinten um.
"Hast du jemanden bei dem gestrigen Anschlag verloren?"

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De Vere hatte bereits vernommen, dass Walerian seine Mutter befreit hatte und wenngleich es ihm auch nicht passte, dass der vermaledeite Bengel sich derart durchgesetzt hatte, so wusste er doch, dass es womöglich die einzige Variante gewesen war, in welcher er einigermaßen die Kontrolle über den Regenten behalten konnte. Die Drohung die Krone nicht anzunehmen... de Vere schüttelte den Kopf. Dann wäre auch die Heirat seiner Tochter mit Walerian unnütz gewesen. Die Hochzeit, seit der alles nur noch viel schlimmer geworden war. Wegen Aristeas. Und nun erneut....
Als es an der Tür klopfte hob er den Kopf. "Herein!"

"Hauptmann De Vere - Ariana Belini, zu Ihren Diensten. Dieses Schreiben hier wurde mir mitgegeben, ich sollte es an Euch weiterreichen, es würde meine Anwesenheit erklären." Sie neigte kurz den Kopf und wartete auf die Aufforderung, näher zu treten. Ein unangenehmes Kribbeln im Nacken begleitete ihre Schritte hinüber zum Schreibtisch, über den er gebeugt saß.

"Einen sehr guten Freund, der mich aufgezogen hat", antwortete Linnea mit einem milden Lächeln, weil seine Fahrigkeit ihr mehr als deutlich auffiel und setzte ein paar Schritte nach vorn, bis sie in Willems Blickfeld kam. "Es ist hart, aber das wisst Ihr wohl gerade noch am Besten ... es ist ein bisschen, als würde ein Teil von einem selbst absterben und wenn ich ehrlich bin, dann frage ich mich die ganze Zeit über, wieso das alles passiert ist, denn ich will es beim besten Willen nicht verstehen und das macht es nur noch schlimmer."

"Manche Menschen wollen den Schmerz den sie empfinden mit der Welt teilen. Die Hoffnung, dass es anderen schlechter geht als ihnen selbst - oder vielleicht auch nur die Irre annahme, sie könnten durch Schmerz zu Erkenntnis gelangen hat bereits viele verblendet. Schmerz bringt keine Erkenntnis. Nur noch mehr Schmerz," erwiderte Willem und zeigte ein bitteres Lächeln. Dann wandte er sich wieder an seine Schreibarbeit und erledigte diese, ehe er Löschsand über das Papier streute und sich wieder an Linnea wandte. "Euer Verlust tut mir sehr Leid. Kann eure Familie die Begräbnisgebühren erübrigen?" fragte er leise und deutete auf ein kleines Säcklein auf dem Tisch. "Ich kann nicht allen helfen, aber denen denen ich helfen kann würde ich gerne. Zumindest die Last ein klein wenig mildern."

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De Vere sah auf und blickte das Mädchen an. "Na dann gebt mal her!" erwiderte er bärbeißig und schnappte sich das Schreiben aus Arianas Hand, entfaltete dieses. "Sind ja eine Menge Belobigungen..."

Ariana neigte sacht den Kopf, verbiss sich aber ein Lächeln. Sie hatte für all das hart gearbeitet und nicht eine davon war gelogen, aber das wollte sie ihm so direkt nun auch nicht sagen. "Ich hoffe, es waren nicht zu viele Templer unter den Opfern."

"Ich wünschte sie könnten", räumte Linnea an und rang sich ein schiefes Lächeln ab. "Aber es gibt keine Leiche, die wir beerdigen könnten und es fühlt sich irgendwie nicht richtig an, einen leeren Sarg in die Erde zu lassen, aber danke für das Angebot. Denkt Ihr, dass es genau das ist? Dass der Mann, der das gewesen ist deshalb diese ganzen Unschuldigen ermordet hat? Euren Vater vornweg?" schob sie hinterher und lenkte ihren kurzen Blick hinüber zu den Pergamenten, die auf dem Tisch lagen und die er soeben unterzeichnet hatte. "Kann ich Euch irgendwie helfen? Ich tauge wahrscheinlich nicht für viel und ich verstehe nur wenig von der Politik, aber Ihr scheint ein guter Mann zu sein und ich würde die Last, die Ihr tragt, gern auch ein wenig mildern."

Willem sah auf und zeigte erst ein trauriges und mitleidiges Lächeln bezüglich des leeren Sarges. "Ich kann verstehen, dass ihr keinen leeren Sarg beerdigen wollt. Wenn ich sonst noch etwas tun kann gebt Bescheid," auf Linneas zweite Frage blinzelte er. "Mir helfen? Das ist außerordentlich freundlich von euch, aber ich befürchte die königlichen Siegel..." er verstummte. "Verdammt..." das königliche Siegel hatte Celeste bei sich gehabt. Sie sollte es bringen um den Ehevertrag siegeln zu können und sie war verschwunden. Mitsamt des Siegels.

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"Es waren genug," erwiderte de Vere. "Aber vor allem Dingen durch äußere Einflüsse. Das Subjekt vermochte natürlich nicht durch direkten Magieeinsatz gegen die Templer vorzugehen", er reichte das Schreiben zurück. "Wenn ihr also schon mal da seid - wir sind auf der Suche nach der Tochter des Königs. Wir haben ihrer Mutter gesagt sie wäre tot, aber wir haben noch keine Leiche gefunden. Wir müssen das Kind finden."

"Welche Bereiche wurden bereits abgesucht?"

"Was habt Ihr?", hakte Linn nach und runzelte die Stirn, einen Schritt nähersetzend und eine Hand ausstreckend, um sie dem anderen sacht auf die Schulter zu legen.

"Celeste - sie trug das Siegel bei sich!" erwiderte Willem leise und straffte den Rücken, als er die fremde Hand spürte, stand auf und machte einige Schritte von Linnea fort, versuchte dabei nicht zu harsch zu wirken. "Ohne das Siegel können wir vorerst keine Befehle über die Grenzen der Stadt hinaus schicken!" er ließ die Schultern hängen. "Man hat uns eines wichtigen Werkzeuges beraubt!"

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"Die Ost- und die Weststadt. Auch wurde das Schloss auf den Kopf gestellt. Wir müssen befürchten, dass sie das Mädchen in die Südstadt abgesetzt hat. Womöglich hat aber auch der Angreifer das Kind entführt!"

"Was könnt Ihr mir über den Angreifer sagen?", hakte Ariana nach und verschränkte die Arme vor sich, nachdenklich aus dem Fenster blickend.

Linneas Mund wurde trocken und langsam nickte sie, begriff mit einem Mal von welcher Tragweite sie hier eigentlich gerade sprachen. Wenn es keine Befehle gab, dann war das gesamte Königreich handlungsunfähig - niemand konnte auch nur irgendetwas erlassen, keine Krönungen, keine neue Macht für die Templer, solange es nicht dieses Siegel wieder zurück in die Hände des Königshauses geschafft hatte.
"Ich habe einige Freunde, die noch in der Stadt leben. Wenn Euch der unauffällige Weg lieber ist, kann ich sie danach fragen, ob ihnen ein Mädchen aufgefallen ist", schlug sie vor und hob im selben Moment die Hände. "Ich würde ihnen nichts darüber mitteilen, über wen wir sprechen und aus welchen Gründen. Aber Ihr werdet wohl schlecht offiziell suchen können, wenn nicht andere Wesen ebenfalls aufmerksam werden sollen, nicht?"

Willem nickte langsam, aber bekräftigend. "Das wäre..." er wog den Kopf hin und her und starrte hinaus in die Ferne, wo sich der Staub und der Schutt des vergangenen Tages wie ein rot-grauer Schleier über alle Gebäude gelegt hatte. "Hervorragend. Wenn es nicht zu viele Umstände macht..." was sprach er hier eigentlich? Er war der König. "Was ich meine ist... tut dies!"

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"Geheime Informationen," erwiderte de Vere. "Euch muss es ausreichen zu wissen, dass er ein Feuermagier ist, der als extrem instabil eingeschätzt werden muss. Und das sein Phylakterium vor vielen Jahren von einer Assasinenbruderschaft zerstört wurde, so dass wir ihn nicht aus der Ferne ausschalten oder auch nur orten könnten!"

"Handelt es sich dabei um Aristeas? Den jungen Magier, der seinerzeit seinen Meister tötete?", hakte Ariana nach. "Ich habe davon gehört. Die Männer tratschen. War er nicht lange Zeit verschwunden? Warum sollte er jetzt wieder aktiv werden?"

Linnea lachte leise und nickte dann knapp, die Augen für einen kurzen Moment schließend und sich auf ihr eigenes Atmen konzentrierend. Fayes Magie war erschöpft, sie würde also ohnehin keine Antwort erhaltend und so nickte sie noch einmal für sich selbst bevor sie die leisen Worte zusammen sammelte.
'Das Kind ist verschwunden. Celeste - sie trägt den Siegelring des Königshauses bei sich und ist bisher noch nicht gefunden worden. Das Reich ist gerade manövrierunfähig bis das Siegel hier wieder auftaucht', wandte sie sich an die Lehrmeisterin und lächelte sacht, nur ein kurzes 'Ariana wurde aufgenommen und ich bin auch bei Willem' hinzufügend, damit die Ältere sich keine Sorgen machen würde bevor Linn die Augen wieder öffnete.
"Erledigt."

"Was?" Willem blinzelte und besah sich die andere von oben bis unten, schien sie zu mustern. "Du bist doch noch nicht einmal losgegangen!"

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"Du stellst viele Fragen und bringst wenig antworten!" erwiderte de Vere ungehalten. "Welche Männer haben getratscht?"

"Das stimmt, Hauptmann", gestand Ariana. "Und ich kenne die Männer noch nicht, aber ich werde Euch die Namen mitteilen, sobald das erledigt ist."

"Ich weiß und Ihr auch, Hoheit", antwortete sie mit halb eingezogenem Kopf. "Ariana erzählte doch davon, dass ich besondere Fähigkeiten und Möglichkeiten habe und ich hoffe, dass Ihr jetzt nicht laut losschreit und die Templer ruft, denn dann habe ich ein wirkliches Problem. Ich will helfen"

Walerian stand wie vom Donner gerührt da. "Eine Magierin?" flüsterte er halb erstickt. "Hast du eine Ahnung was geschieht, wenn die Templer entdecken, dass eine nicht registrierte Magierin an meiner Seite ist und für mich arbeitet? Dich werden sie hängen und mich werden sie der Krone berauben und meinen Namen aus allen Büchern streichen lassen!" er schüttelte den Kopf. "Wenn meine Frau das erfährt..." ihm wurde schlecht. "Beim Erbauer! Gerade in diesen Zeiten darf nichts geschehen, was gegen das Recht der Kirche verstößt!"

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"Dann findet sie lieber verflucht schnell heraus. Jeder einzelne von ihnen soll ausgepeitscht werden!" grollte de Vere. Es ging bergab mit der Motivation und der Loyalität der Männer und es shcien wirklich Zeit zu sein, dass er die Daumenschrauben enger zog. Beim Erbauer - wie konnte es nur soweit kommen. "Sonst noch etwas?"

"Mit Eurer Erlaubnis werde ich mich nun aufmachen, das Mädchen zu suchen."

"Wie zum Beispiel einen Magier auf den Thron zu lassen, Hoheit?", fragte sie. "Ich bin nicht Eure Feindin und alles, was ich will, ist zu verhindern, dass Ihr dasselbe unglückselige Schicksal erleidet wie Euer Vater. Ich weiß, wer unser Feind ist, aber jemanden, der sich nur mit Waffen auskennt, neben Euch zu stellen, wird nicht helfen. Nicht gegen denjenigen, der uns dieses verfluchte Chaos eingebrockt hat und dafür gesorgt hat, dass uns Magiern noch viel mehr Hass entgegen wallt. Ich will ihn genauso sehr aufhalten wie Ihr und ich will ihn genauso sehr dafür büßen lassen, was er getan hat."

Walerian zitterte. "Wer seid ihr?" fragte er leise und tastete an seiner Seite nach dem Dolch in seinem Gewand, ließ dann jedoch von seinem Vorhaben ab und schüttelte den Kopf. "Seid Jahren wird das geheim gehalten und ihr plaudert es einfach so aus. Ohne zu wissen wer uns zuhört?" er könnte er immer noch nicht fassen und starrte die Frau ungläubig an. "Ihr wollt mir helfen, aber ihr bedroht meine ganze Existenz mit eurem Wissen und euren Taten."

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"Erteilt!" erwiderte de Vere militärisch knapp. "Ich will zu jeder vollen Stunde einen Boten mit einem Bereicht von euch!"

Ariana nickte knapp, dann wandte sie sich um und verschwand durch die Tür hinaus. Das hier war ein Auftrag, nicht schlechter oder besser als alle davor, aber er würde ihr alles abverlangen. Kurz dachte sie an ihre Mutter, die Alisander so lange Zeit an der Seite gestanden hatte, bis er endlich sein Ende fand und sie würde hier etwas ähnliches versuchen. Die Templer durften nicht zu viel Macht erlangen. Alleine schon das Auspeitschen der Leute würde helfen, die Moral unten zu halten, auch, wenn sie hätte schreien mögen bei dem Gedanken.

"Eure Mutter hat mir vor einigen Jahren einmal das Leben gerettet und ich möchte mich jetzt dafür revanchieren. Sie kann es gerade nicht und ich will helfen. Die Frage ist nur, ob Ihr mich lasst, Hoheit", antwortete Linnea und lächelte weich. "Kein Ton dringt nach draußen, dafür habe ich gesorgt, weil auch mein gesamtes Leben gefährdet ist, wenn von unseren Worten jemand erfährt. Ich möchte Euch nicht gefährden, aber ich möchte auch nicht lügen, Hoheit. Ich glaube, dass es genug Lügner gibt und ich will mich nicht einreihen."

Walerian betrachtete die Frau vor sich, schien sie kaum einschätzen zu können. "Seid ihr..." doch er blieb still und schüttelte den Kopf. Er konnte sich vorstellen woher sie wirklich kam und wer sie geschickt hatte. Mit einem Mal war er wieder 17 und hatte Träume, die niemals wirklichkeit geworden waren. Abenteuer. Die weite Welt. Ein Geheimkult. Ein Freund. Ein Mörder.
"Ihr dürft bleiben," meinte Walerian leise. "Mich will ein wahnsinniger umbringen, den ich einst für einen Freund hielt. Die Kirche will mich als neue Marionette benutzen. Ihr macht mir keine Angst."