Kapitel 1

"Die kommt erst noch," erwiderte Cullem und zuckte mit den Schultern. "Ich habe in ihrem Namen anrufen lassen. Ich dachte mir, wenn ich sie anrufe wird sie kaum kommen!" er schlurfte hinüber zu der Kaffeemaschine und zog sich etwas von der Plörre, welche er mittlerweile akzeptiert und in seinen Nahrungsplan aufgenommen hatte. "Und sie waren erfolgreich?"

"Kaum. Er hat sie gefunden, uns alarmiert und das war es ziemlich ... die Leiche hatte sich in seinem Boot verfangen, aber nicht so, als wäre es geklaut worden, sondern eher, als wäre sie dagegen gespült worden."

"Das würde zu den Ergebnissen der Autopsie passen", stimmte Cullem zu. "Die kamen nämlich während sie weg waren - tatsächlich wurde die Gebärmutter und die Eierstöcke entfernt, das spricht für meine Theorie mit der Trophäe. Ansonsten - die Todesursache war ersticken." Er warf einen Blick zu dem Kerl im Verhörzimmer. "Also wurde sie wohl erdrosselt, was? Ihre Arme haben Spuren einer auseinandersetzung gezeigt, aber keine Haut des Mörders unter den Fingernägeln. Nichts was weiter hilft."

"Gab es Fasern, Abdrücke oder dergleichen, die uns sagen könnten, mit was sie erdrosselt wurde? Wenn da keine Haut war, können es keine Finger gewesen sein."

"Tatsächlich gibt es einen Hinweis", erwiderte er düster. "Das Opfer war nackt -aber die Spuren am Hals deuten auf Seide oder einen ähnlich weichen Stoff hin. Von der Form her vermutet die Gerichtsmedizin einen Strip!" er hüstelte. "Also.."

"Vielleicht hat MacKenzie dem Stalker ... einen Streich spielen wollen? Ihn locken mit dem Körper, den er ja nicht an Madison haben konnte und es ging nach hinten los? Vielleicht war er wütend, als er es bemerkte und Madison erwähnte, sie würden öfter Rollen tauschen."

"Burton du bist echt kaputt," erwiderte Callum. "Das würde doch niemand - ich meine. Wer WÜRDE so etwas machen?" er verschränkte die Arme vor der Brust und bedachte seine Kollegin mit einem skeptischen Blick. "Wenn es so geschehen wäre... meine Güte, das würde MacKenzie.. also die noch lebende... niemals wirklich wissen wollen. Lass uns hoffen, dass dies nicht die Lösung des Falls ist!"

"Wo auch immer Sie Ihre Ausbildung genossen haben, Williams ... haben sie Ihnen nicht beigebracht, in jede Richtung zu ermitteln, so unwahrscheinlich sie auch sein mag? Ich bevorzuge diese Option nicht, aber es ist nicht von der Hand zu weisen. Ansonsten bliebe uns noch der Verlobte der Toten."

"Tu dir keinen Zwang an ihn ebenfalls hierher zu zitieren!" erwiderte der deutlich Ältere und zuckte mit den Schultern. "Ich meine MacKenzie hat ja schon so gut reagiert, als ich sie gefragt habe, ob ihre Schwester vielleicht andere Männer hatte die als Täter in Frage kommen!" er schnaubte missbilligend. "Wo bleibt die überhaupt?"

"Williams ... MacKenzie ist die Tote. Mit ihr haben Sie bestimmt nicht mehr gesprochen."

"Was?" er hob die Augenbrauen. "Ich dachte MacKenzie ist der Nachname der beiden Schwestern?" er warf einen Blick in seine Akten. "Oh. Crawford ist der Nachname. Scheiße."

"Ja, Scheiße. Fakten prüfen gehört auch dazu."

Er warf ihr die AKten zu. "Ich bin nicht gut mit Namen. Ist ja auch egal - also, was steht als nächstes an?"

"Das ist nicht egal, kapiert?", fragte sie ihn zuckersüß, aber ihre Augen sprachen eine ganz andere Sprache, als sie ihn anfunkelte. "Sie haben Madison einbestellt - jetzt sehen wir, wie der Typ reagiert und dann machen wir weiter."

"Jaja, schon gut - wieso denn auf einmal wieder so kratzbürstig?" knurrte er und fuhr sich über die kratzige Glatze. "Wenn ich aber ehrlich sein soll, dann sagt mein Bauchgefühl, dass er es nicht war. Nur so ein Gefühl. Aber darauf kann ich mich normalerweise verlassen."

"Dann dürfte ja nichts schiefgehen." Charlie fuhr sich durch die widerspenstigen Locken und schob sie zurück hinter die Ohren, dann begann sie, auf ihrem Schreibtisch für Ordnung zu sorgen und Bilder von der Leiche in den Ordner zu schieben, um Madison keinen Grund für eine verfrühte Flucht aus dem Revier zu geben, ehe sie dem Typen gegenüber gestanden hatte.

"Was soll das denn jetzt heißen?" hakte Callum nach und hob die Augenbrauen, fuhr sich noch einmal mit einer Hand über die unrasierten und stoppeligen Wangen. Der Blick seiner starren Augen wanderte einmal über Charlies Gestalt, dann zurück zu den Aktenstapeln und griff erneut nach der Kaffeetasse und der zugehörigen Maschine. Das gluckernde Geräusch der Maschine, als sie den Kaffee ausspie hatte etwas meditatives, während er über die Schulter zu Charlie sah und sie taxierte - nicht willens sie mit diesem Kommentar einfach davonkommen zu lassen.

Die hingegen tat völlig unschuldig und zog Schubladen auf, legte Akten hinein und schloss das ganze wieder, sanft und fast geräuschlos, während sie die Blicke geflissentlich ignorierte und darauf wartete, dass sich die Tür öffnete.

Callum machte einen Schritt auf die andere zu, den dampfenden Kaffee noch in der Hand. "Wenn wir zusammenarbeiten wollen, dann will ich solch einen Ton nicht haben. Nichts was nicht ausgesprochen wird. Ich kann es auf den Tod nicht ausstehen, wenn irgendwer mir mit Andeutungen um die Ecke kommt ohne diese dann weiter auszuführen. Haben wir uns da verstanden?" er verschränkte die Arme vor der Brust, fluchte dann als er sich damit etwas Kaffee über den Ärmel geschüttet hatte. "So ein Dreck verdammter!"

"Ich habe alles ausgeführt, was es dazu auszuführen gab - ein 'dann dürfte ja nichts schiefgehen' impliziert nicht automatisch einen Angriff oder Sarkasmus, vor allem dann nicht, wenn dieser Sarkasmus in der Stimme und der Intention völlig abwesend ist, Williams. Und wenn ich Sie daran erinnern darf - Sie haben mit den Untertönen und Vorwürfen nicht hinter dem Berg halten können. Also bitte: Sagen Sie mir, was Ihnen nicht passt."

"Die ganze Sache hier!" erwiderte er und setzte sich, nahm sich einige Tücher vom Tisch und tupfte darauf herum, in dem verzweifelten Versuch in irgendeiner Art und Weise den Mantel noch zu retten - "Ich meine, ich bin noch keine 24 Stunden vor Ort - oh verfluchte Scheiße ich habe noch nicht einmal meinen DIenst angetreten, da findet schon der erste Mord statt - und so wie sich alle hier benehmen, scheint es für alle auch verdammich der erste Mord zu sein, den sie aufklären müssen!"

"Der erste seit fünfzehn Jahren, um genau zu sein. Probleme damit, dass nicht überall Leute umgenietet werden wie am Fließband?" Sie besah sich seine Versuche eine ganze Weile, tat aber nichts, um ihm zu helfen. Was auch? Wasser darüber laufen lassen? Auf diese Idee sollte er doch auch selbst kommen.

"Ich habe genauso wenig gesteigerte Freude an einer Heerschar von Mordopfern wie jeder andere Mäuschen," erwiderte Callum kopfschüttelnd. "Aber ein Mindestmaß an professionalität und Routine könnte man ja wohl erwarten oder? Zumindest statistisch gesehen liegt Oceancity weit unter den normalen Mordraten - und das ist höchst beunruhigend. Wenn so wenig Leute umgebracht werden, dann läuft da doch was verkehrt!"

"Oh Gott, Williams, hören Sie sich überhaupt selbst reden? Sie sind ein Epizentrum an Drama, Igno- und Arroganz, gepaart mit Paranoia!"

"Das was ich erlebt habe hat nichts mit Paranoia zu tun!" erwiderte er trocken. "Die Arroganz lasse ich mir eingehen, aber die habe ich mir verdammt noch mal hart erarbeitet! Verfluchte scheiße Burton! Sind sie mehr daran interessiert mit mir zu streiten oder den Fall aufzuklären?" er verschränkte die Arme vor der Brust. "Also wirklich."